Wischmeyers Logbuch Ruhe im Karton

Dietmar Wischmeyer

Wischmeyers Logbuch Ruhe im Karton

Neben der visuellen Überrumpelung ist die akustische Belästigung eines der größten Kaufhemmnisse der Innenstädte, meint Dietmar Wischmeyer. Ohne den Lärm und dem Gestank aus den Bordsteinkombüsen würde er auch mal wieder zum Einkaufen aus dem Haus gehen.

Bild: Radio Bremen | Pascal Mühlhausen

Informationen zum Audio

Ach wie böse ist doch das vermaledeite Online-Shopping: das Weltkulturerbe deutsche Fußgängerzone siecht dahin, ja ganze Innenstädte verfaulen am lebendigen Leib.

So tönt es seit Jahren aus den Medien, doch Herrn und Frau Mustermann kratzt das Gejammer nicht, beide bestellen fleißig weiter bei Amazon und seinen Spießgesellen. Neben allen sonstigen Vorteilen blieb einer bisher unbeachtet: im Fernvertrieb herrscht Ruhe im Karton und um ihn herum. Daheim ist die Geräuschbelästigung weit weniger fremdbestimmt als beim stationären Höker.

Supermarktketten beschallen ihre Opfer mit eigenem Instore-Radio, das neben IdiotenLala auch noch grenzdebile Werbedurchsagen abfeuert. Wenn es dort wenigstens zugänge wie beim Streaming-Dienst: „Wollen Sie mit Werbung einkaufen, dann erhalten sie 20% Rabatt auf alle Waren außer Tiernahrung“.

Aber nein, unentgeltlich muß man sich zudröhnen lassen neben dem ganzen anderen Gepiepe und Gelaber „43 bitte einmal die 12“.

In den hippen Klamotten-Stores der Innenstädte geht man brutaler an den Kunden heran, Musik wird als Waffe eingesetzt. Unter dem Gedröhn eines vorbestraften Rappers wird der Kunde in Duldungsstarre versetzt, um sich die Lumpen des Textil-Dealers andrehen zu lassen.

Wenn das akustische Überleben zur dringlichsten Frage wird, schmilzt die Urteilskraft dahin, so geht das Kalkül des Geschäftsinhabers. Das funktioniert nur solange die Opfer keine Alternative haben. Die besteht nun aber im lärmreduzierten Einkauf vom Sofa aus.

Die ersten Ladenlurche haben den Zeitgeist gerochen und stellen die Beschallung ein: Eine Stunde am Tag „Silent Shopping“, so nennt sich hochtrabend, was eigentlich der Normalfall sein sollte. Selbst Friseure kauen einem nicht mehr ein Ohr ab beim Haare schneiden.

Neben der visuellen Überrumpelung ist die akustische Belästigung eines der größten Kaufhemmnisse der Innenstädte, sogar noch größer, da man nicht „Weghören“ kann. Wenn der Lärm reduziert wird, die aufpoppenden Textnachrichten aus unzähligen Bildschirmen abgeschaltet werden und vor allem der Gestank aus den Bordsteinkombüsen verschwindet, ja vielleicht gehe ich dann mal wieder zum Einkaufen aus dem Haus – ja vielleicht.

Autor/Autorin

  • Dietmar Wischmeyer

Bremen Zwei Livestream & aktuelle Sendung.

Niederdeutsches Hörspiel

Niederdeutsches Hörspiel
Niederdeutsches Hörspiel
  • Niederdeutsches Hörspiel