Kunst statt Werbung: ein Filmfest im Hochformat
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Standdatum: 13. April 2023.
An Bushaltestellen, in der Straßenbahn, in Einkaufszentren oder am Bahnhof: Digitale Werbetafeln gehören fest ins Stadtbild. Wir sind so an sie gewöhnt, dass wir sie zwar sehen, sie aber selten wirklich wahrnehmen. Jetzt lohnt es sich aber, bei diesen Tafeln genauer Hinzuschauen: Das Bremer Hochkantfilmfest zeigt 19 kurze Videos zum Thema Sehnsucht.
Im Durchgang am Bremer Hauptbahnhof leuchtet Werbung auf den digitalen Tafeln – wie immer. Werbung für Schokolade, für Creme, für eine Zeitung. Und dann auf einmal: Ein Bewegtbild, ohne Schriftzug. Die gezeichnete Silhouette einer Figur, vor einem hellen Hintergrund. Die Medien-Künstlerin Karin Demuth erklärt die Szene: "Das ist eine tanzende Person, die ist animiert. Die spielt mit dem Format. Also die ganze Stadt ist ja dominiert von Rechtecken, wenn man da mal durchguckt. Und die tanzt da raus." Die Sehnsucht, die dieses Video beschreibt, habe mit der Sehnsucht, das Leben zu tanzen, zu tun.
Dann habe ich beschlossen, dass ich die Welt einfach nach Bremen einlade — in Form von Videos.
Karin Demuth über ihre Idee, das Hochkantfilmfestival zu gründen.
Karin Demuth ist zusammen mit ihrem Kollektiv D.O.C.H. verantwortlich für das Hochkantfilmfest. Es findet nach 2021 in diesem Jahr zum zweiten Mal statt. Die Idee zum Festival entstand im Lockdown, während der Corona-Pandemie: "Ich saß zu Hause, musste mein Kind beschulen und hatte eine wahnsinnig große Sehnsucht danach, in die Welt zu reisen und mir andere Ateliers und Ausstellungen anzugucken oder ins Kino zu gehen. Und dann habe ich beschlossen, dass ich die Welt einfach nach Bremen einlade — in Form von Videos."
Sie startete einen Aufruf für zehnsekündige hochformatige Video-Animationen und mietete Anzeigetafeln in der Innenstadt. Pandemiebedingt waren die Tafeln alle im Freien. In diesem Jahr werden die Kurzfilme indoor gezeigt, wie am Bremer Hauptbahnhof. Aber nicht nur dort sind sie zu sehen, sondern auch in den Bussen und Bahnen der BSAG, im Einkaufszentrum an der Waterfront und im Walle-Center, wo sonst kaum Werbung gezeigt wird.
Wenn eine Werbung gut ist, dann spielt sie mit Sehnsüchten.
Karin Demuth
Die Werbung und die künstlerischen Videos des Hochkantfilmfestes haben aber auch etwas gemein, sagt Karin Demuth: "Wenn eine Werbung gut ist, dann spielt sie mit Sehnsüchten. Also warum sollte ich mir irgendwas kaufen, was nicht verspricht, meine Sehnsüchte zu bedienen?" "Sehnsucht" oder "Sehnsüchte" bilden den Themenbereich des diesjährigen Hochkantfilmfestes, dafür hat die Organisatorin international geworben. 19 verschiedene Ideen von Sehnsucht zeigt das Festival jetzt. Wie der Vogel, der in einem schmelzenden Käfig aus Eis sitzt. Oder die tränenden Augen, die in einem anderen Video zu sehen sind. Viele der Arbeiten kommen aus Deutschland, es sind aber auch Filme aus anderen Teilen der Welt dabei: aus Neuseeland, Finnland oder Spanien.
Genauer Hinschauen lohnt sich
Ob aus Langeweile beim Warten auf den Zug oder auch beim eiligen Durchqueren des Bahnhofs: Es lohnt sich, mit offenen Augen durch den Alltag zu gehen – an manchen Orten in Bremen diese Woche jedoch ganz besonders.
Die kurzen Filme sind noch bis Sonntag, 16. April zu sehen, wenn das Festival mit einer Finissage in der Waterfront endet.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 13. April 2023, 12:38 Uhr