Im Porträt Nadia Brönimann bereut ihre geschlechtverändernde Operation

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Nadia Brönimann
Nadia Brönimann möchte Chris wieder mehr Raum in ihrem Leben geben. Bild: Matthieu Zellweger

Nadia Brönimann bereut eine lebensverändernde Entscheidung. Die Transition von Chris zu Nadia. Nun hat Brönimann sich entschieden, eine Detransition vorzunehmen, um wieder Chris zu werden. Allerdings bekommt Brönimann für diesen Schritt nicht nur Lob – gerade aus der queeren Community.

Nadia Brönimann
Nadia Brönimann

Gesprächszeit Trans-Frau Nadia Brönimann bereut ihre Transition

Vor knapp 27 Jahren entschied sich Nadia Brönimann für eine geschlechtsangleichende Operation. Heute wünscht sie sich eine Detransition und wird dafür angefeindet.

Bild: Matthieu Zellweger

Mit dem Wort Transition wird der Übergang von einem Geschlecht in ein anderes bezeichnet. Bei einer medizinischen Transition lassen Transpersonen körperverändernde Operationen durchführen oder nehmen Hormone ein, um sich körperlich ihrem Identitätsgeschlecht anzunähern. Nadia Brönimann zählt zu den bekanntesten Trans-Frauen in der Schweiz. Aufgewachsen ist sie als Christian, doch vor knapp 27 Jahren entschied sich Chris Brönimann dazu, nicht mehr im Körper eines Mannes leben zu wollen. Die Transition fand in der Schweiz vor laufenden Kameras statt.

Wenn man als Mensch immer nur abgelehnt wird, dann läuft alles in die falsche Richtung.

Nadia Brönimann über ihre Transition

Bereits in der Kindheit hat Brönimann gemerkt, dass irgendetwas anders läuft als bei anderen Kindern. Chris war oft allein, hat sich zurückgezogen und hat sich nirgendwo zugehörig gefühlt. Gerettet hat Chris dabei die Flucht in eine Fantasiewelt, denn die Zeit als junger Mann war geprägt durch Ablehnung. Chris hat nie gelernt zu lieben oder gespürt, wie es ist geliebt zu werden, so wie man ist. Daher kam schnell der Gedanke: "Ich kann nur als Frau geliebt werden und selbst lieben". Eine falsche Entscheidung, wie Brönimann heute offen zugibt. Es war eher eine Flucht vor dem Leben als junger Mann und die Hoffnung, dass man als Nadia anders leben kann: "Wenn man als Mensch immer nur abgelehnt wird und auch die Bestärkung nicht mehr erfährt, dann läuft alles in die falsche Richtung."

Flucht in die Transition vor der Realität

Eine bekannte Trans-Frau hat Chris Brönimann dann in den 1990er Jahren auf den Gedanken gebracht, sich umoperieren zu lassen. Eine Trans-Frau von der Brönimann heute noch schwärmt, weil sie genau das verkörperte, wonach sich der junge Chris Brönimann immer gesehnt hat: Gutaussehend, akzeptiert und wunderschön. Und damit stand der Entschluss fest: Chris soll zu Nadia werden: "Ich habe gar nicht mehr nach links oder nach rechts geschaut. (...) Ich habe immer gedacht, der Chirurg richtet alles. Das Skalpell löst alle meine Probleme."

Die Reue kommt früh

Heute macht Brönimann sich Vorwürfe. 16 Operationen hat sie ihrem Körper zugemutet. Zum Teil ist sie auch auf sich selbst sauer, dass sie nicht erst den therapeutischen Weg gegangen ist. Zwar war auch damals vor einer solchen Transition ein psychologisches Gutachten Pflicht, aber das hatte sie sich für viel Geld erkauft. Ein Fehler, den Brönimann bis heute bereut. Denn schon nach der geschlechtsangleichenden Operation, hat Chris, der sich fortan Nadia nennt, gemerkt, dass die Transition nicht der richtige Weg war.

Ich hätte mir selbst die Schuld geben müssen.

Nadia Brönimann über die Gründe, warum sie erst spät öffentlich ihre Reue eingesteht

Doch bis sich Nadia Brönimann traut, öffentlich zu sagen, dass die Transition für sie persönlich der falsche Weg war, hat es noch gut 30 Jahre gedauert: "Ich hätte mir selbst die Schuld geben müssen und erkennen müssen, dass ich da in einer Sackgasse gelandet bin." Weil der Alltag als Nadia relativ gut lief, ließ sich das Thema auch gut verdrängen, sagt Brönimann selbst. In Nadias Alltag gab es Sicherheit und Brönimann fand sich mit der Rolle ab. Doch das Unwohlsein, dass es bei Chris gab, gibt es auch bei Nadia: "Die Seele hat bei mir angeklopft und gesagt: 'Hey es wird mal wieder Zeit, dass du richtig hinhörst.'"

Ich hatte einen Traum und in dem Traum war ich eingeschnürt als Nadia.

Brönimann über den Schlüsselmoment, wo sie sich ihre Fehler eingestanden hat

Aus Angst und Gewohnheit schob Nadia diese Gedanken immer wieder schnell beiseite und verdrängte sie: "Ich hatte auch einige Jahre, in denen ich mehr oder weniger zufrieden gelebt habe." Das Verdrängen funktionierte bis der Körper rebellierte. Nadia Brönimann bekam ein Engegefühl und Panikattacken, die immer heftiger wurden: "Ich hatte dann diesen einen Schlüsselmoment. Ich hatte einen Traum und in dem Traum war ich eingeschnürt als Nadia." Dadurch lernte Brönimann wieder auf den Körper zu hören und sich Fehler einzugestehen.

Die Weiblichkeit entpuppt sich als Scheinwelt

Nadia Brönimann, die Chris wieder mehr Raum in ihrem Leben geben möchte, sagt heute, dass Gespräche ihr mehr geholfen hätten als der Griff zum Skalpell. Nadia sei eher wie ein Korsett, das sie als Person umschnürt. Und genau daraus will Brönimann jetzt ausbrechen. Allerdings gibt es für diese Entscheidung nicht nur Lob – gerade aus der queeren Community. Brönimann wird vorgeworfen, dass sie mit dem Detransitionswunsch das "feindliche" Lager bediene. Ein weiterer Vorwurf: Sie verbreite damit ein negatives Bild des Themas in der Öffentlichkeit.

Es ist mein individueller Lebensweg.

Nadia Brönimann über die Vorwürfe, die sie aus der queeren Community bekommt

Doch für Brönimann geht es in allererster Linie darum, ihre ganz persönliche Geschichte zu erzählen: "Es ist mein individueller Lebensweg. Ich gehe den und ich habe die Verantwortung meinem Leben gegenüber." Außerdem möchte Brönimann davor warnen, zu schnell weitreichende Entscheidungen über eine Transition zu treffen. Brönimann wollte eigentlich nur akzeptiert und geliebt werden, so wie sie als Person ist. Und genau das wünscht Brönimann sich von der Gesellschaft.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 17. Februar 2024, 18:05 Uhr

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