Die Morgenandacht 77mal vergeben

Wolkenhimmel, dahinter Lichtstrahl

Die Morgenandacht 77mal vergeben

Vergebung ist nicht leicht, findet Caritas-Mitarbeiter Ingo Wilberding. Dafür nötig ist nach seiner Ansicht Geduld und Ehrlichkeit zu sich selbst.

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Vergebung ist nicht leicht, findet Caritas-Mitarbeiter Ingo Wilberding. Dafür nötig ist nach seiner Ansicht Geduld und Ehrlichkeit zu sich selbst.

Das verzeihe ich dir nie!!! Vielleicht denken Sie an jemanden speziellen, wenn Sie diese Worte hören – das verzeihe ich dir nie! Oder vielleicht haben Sie das auch schon selbst gesagt – oder gedacht.
Ein paar Gedanken zur Vergebung am frühen Donnerstagmorgen: Vergebung ist bei Gott ein großes Thema. Ihm ist es wichtig, dass wir Menschen gut miteinander auskommen. Mehrmals fordert er uns in der Bibel dazu auf, einander zu vergeben, wenn jemand etwas Böses getan hat. Bis hin zum wohl bekanntesten Gebet – dem Vaterunser: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Jesus setzt folgenden Maßstab: Wie oft muss ich meinem Bruder vergeben? Sieben Mal? wird er gefragt. Siebenundsiebzig Mal, ist seine Antwort. Anders formuliert: Es gibt keine Grenze, wo Vergebung aufhört. Und was Jesus dem fragenden Petrus damals antwortete, würde er uns heute vermutlich genauso zur Antwort geben: Siebenundsiebzig Mal.
Das mit der Vergebung ist ja so eine Sache. Ich versuche mal drei Gedanken: Erstens: Vergebung ist nicht entschuldigen. Oder im Wortsinn Ent-Schulden. Wenn das, was mir angetan worden ist, eben nicht ent-schuldbar ist oder wieder gut gemacht werden kann, dann kann es nur noch vergeben werden.
Zweitens: Vergeben ist nicht vergessen. Ganz im Gegenteil. Vergebung setzt da an, wo ich nicht vergessen kann, weil die Schuld so tief ist. Vergebung ist das, was getan werden muss, damit ich über das Nicht-vergessen-können hinaus in die Zukunft gehen kann.
Der dritte Punkt ist wohl der herausforderndste. Vergebung ist nicht gleich Versöhnung. Es stimmt, Versöhnung kann eine Folge des Vergebens sein. Zur Versöhnung müssen beide Parteien mindestens einen Schritt aufeinander zugehen, zur Versöhnung gehören immer zwei. Zum Vergeben nicht. Vergeben kann ich auch, wenn ein Mensch nicht zur Versöhnung bereit ist.
Mit Verletzungen umzugehen, dazu gibt es immer zwei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist Rache und Vergeltung. Das muss nicht immer die handgreifliche Auseinandersetzung sein, heute gibt es da viel pseudo-zivilisiertere Möglichkeiten, wir nennen sie Mobbing, hate speech, virtuellen Shitstorm und so weiter. Rache und nicht-vergeben-wollen laufen Hand in Hand.
Die zweite Möglichkeit, mit der Verletzung umzugehen ist die Vergebung. Ich rechne es dir nicht an, ich habe deinen Schuldschein im Kopf zerrissen. Vergebung ist die bessere Strategie – es ist das Beste für MICH. Sie holt mich heraus aus meiner Wut, aus dem Schmerz, aus der Verbitterung.
Aber es bleibt: Vergebung ist nicht leicht. Nicht beim ersten Mal, nicht beim siebten und nicht beim siebenundsiebzigsten Mal. Und es braucht Geduld und Ehrlichkeit vor mir selbst – dann kann sie zum Besten werden, was mir geschieht.

Autor/Autorin

  • Ingo Wilberding

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