Die Morgenandacht Reich Gottes in der Linie 26
Standdatum: 7. Mai 2024.
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"Das Reich Gottes ist mitten unter Euch", sagt Jesus. Auch in Bremen? Auch im Bus 26? Pastorin Ragna Miller entdeckt Jesus am ungewohnten Ort.
Das Reich Gottes ist mitten unter euch. Sagt Jesus.
Der Satz steht in der Bibel, im Neuen Testament.
Es ist einer der großen Sätze von Jesus.
Ich gehe davon aus, er meint: Gottes Reich ist hier und jetzt.
Ist nicht irgendwo und nicht irgendwann erst.
Ich sitze an einem Dienstagmittag in Bremen im Bus: Linie 26 Richtung Kattenturm.
Am Brill steigt ein abgerissener Typ mit Sandalen, Jeans und Leinenhemd dazu. "Stell Dir vor, das wäre Jesus", denke ich bei mir. Vielleicht hat sich dieser Jesus vorher in der Obernstraße ein bisschen umgeguckt. Oder hatte eine Rede auf dem Hügel in den Wallanlagen gehalten.
"Das Reich Gottes ist mitten unter Euch." Mein Blick schweift durch den Bus. Wer hat einen Platz? Wer hätte gerne einen? Musst du breitbeinig auf dem Zweiersitz fläzen? Die junge Frau mir gegenüber, versucht nicht zu weinen. Drei Reihen vor mir wird lauthals in ein Handy gesprochen. Die Sprache bleibt mir völlig fremd.
Unter meinem Sitz ist eine Flasche Bier zerbrochen.
Einige Leute starren vor sich hin, die meisten starren auf ihr Smartphone.
Der abgerissene Typ beobachtet, wie ich die Leute beobachte.
"Stell dir vor, das wäre Jesus", denke ich erneut.
Auf Höhe der Pappelstraße erhebt er die Stimme. "Das Reich Gottes ist mitten unter euch. Das Reich Gottes ist in der Linie 26. Und ihr seid dabei. Ihr könnt dabei sein. Wir können das Reich Gottes sein."
Ein Raunen macht sich breit, doch nur wenige blicken auf. Der 26er Jesus spricht weiter, verschafft sich Gehör. "Das Reich Gottes ist mitten unter Euch! Ja, wirklich. Hier und jetzt. Der Glanz Gottes liegt auf uns. Auf uns allen! Auf dir dort und dir und auch auf euch dort hinten." Die Leute gucken ihn perplex an.
Gespräche mit Fremden sind im bremischen öffentlichen Personennahverkehr nicht üblich. Hier wird hanseatisch geschwiegen. Und überhaupt sind Gespräche über Gott in Bremen eher selten.
„Stell dir vor, das wäre Jesus.“ Was für ein Gedanke.
„Ich spreche von Liebe. Nächstenliebe. Von einem liebevollen Blick auf diese Welt. Ich spreche von Respekt. Wir sind alle gleich viel wert. Völlig egal, welchem Glauben, welcher Kultur wir angehören. Oder auch keiner Religion. Das ist ganz egal! Haltet mich für einen Spinner. Ich meine es ernst. Das Reich Gottes ist mitten unter uns. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.“
Der Mann verlässt den Bus an der Friedrich-Engels-Straße.
"Stell dir vor, das wäre Jesus", denke ich.
Das Reich Gottes ist mitten unter uns…