Die Morgenandacht Abschied

Sabine Kurth
Sabine Kurth

Die Morgenandacht Abschied

Kann man Abschiednehmen lernen? Pastorin Sabine Kurth sitzt auf einer Bank an der Ostsee, die für viele Familienmitglieder ein Treffpunkt war. Jetzt sitzt sie alleine dort, weil sie von den anderen Abschied nehmen musste. Ein Rückblick in Traurigkeit und Dankbarkeit.

Bild: Radio Bremen

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Die Bank steht direkt am Meer. Davor der Strand und die Ostsee. Dahinter der Leuchtturm, schon lange nicht mehr im Betrieb und doch Wahrzeichen der Gegend. Ich setze mich. Der Wind zerwühlt die Haare. Erinnerungen zerwühlen die Seele. Keine fünf Jahre ist es her, da saßen wir noch mit sechs Personen auf unserer Bank. Meine beiden Schwestern, mein Bruder, meine Schwägerin, mein Schwager und ich. Zweimal im Jahr kamen wir zusammen an diesen wunderschönen Ort unserer Kindheit. Der erste Gang führte uns immer zu dieser Bank. Wir alle gemeinsam, fest miteinander verbunden. Wir haben gelacht, gestritten, geschwiegen. Wir haben uns gestützt, gehalten, ausgehalten. Und vor allem haben wir uns geliebt. Und immer wieder saßen wir auf dieser Bank und waren dankbar, dass wir uns hatten.

Doch dann hat sich alles so schnell geändert. Das Leben völlig durcheinander gewirbelt. Einer nach dem anderen verschwand. Krebs, Herzinfarkt, Demenz. Nach jedem Abschied wurde die Bank leerer. Jetzt sitze ich alleine hier. Den Blick nach vorne auf die Ostsee gerichtet. Der Seelenblick nach innen geht zurück. Und es tut weh. So viele Abschiede. So viel Vermissen. Ein Lied von Heinz-Rudolf Kunze heißt "Abschied muss man üben". Geht das wirklich? Kann ich Abschied üben? Jeder Abschied ist doch anders. Jeder Abschied tut unterschiedlich weh. Jeder Abschied hinterlässt eine ganz einzigartige und individuelle Lücke. Egal wie oft ich schon Abschied nehmen musste, es tut weh. Beim zehnten Mal genauso wie beim ersten Mal. Der Blick auf die leere Bank macht es mir noch mal so deutlich. Nie wieder werde ich dort mit meinen Lieben zusammen sitzen. Dieses Nie-wieder-Wissen kann ich nicht üben. Ich versuche mich vorzubereiten, aber wenn es soweit ist, tut es weh.

Wenn ich über das Lied nachdenke, ist vielleicht doch etwas dran. Abschied muss man üben, immer wieder und vielleicht hilft es doch. Sich daran erinnern, dass Abschied zum Leben dazu gehört. Das sind ja nicht nur die Abschiede von geliebten Menschen. Da sind auch die Abschiede von Orten, weil sie nicht mehr wichtig sind. Von Wünschen, weil sie im Laufe des Lebens verblasst sind. Von Aktivitäten, die ich nicht mehr machen kann, weil mich das Alter einschränkt. Abschied muss man üben.

Ich will mich darauf einstellen. Denn es gehört zu meinem Lebensweg. Zu den Aufgaben, denen ich mich stellen muss. Für alles gibt es Zeiten, so weiß es ja auch schon die Bibel. Es gibt die Zeiten, die mich beschenken, mit Glück, Freude und Neuanfang geben. Es gibt Zeiten, die mich quälen, mit Tränen, Verzweiflung und Abschied bringen. Alles gehört zu meinem Leben. Da sitze ich nun alleine auf unserer Bank. Mit Abschied, vermissen und Sehnsucht im Herzen. Aber auch mit Dankbarkeit, dass es Zeiten gab, in denen ich nicht alleine hier gesessen habe. Dass wir Lachen und Lieben konnten.

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  • Sabine Kurth

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