Frauengeschichte(n) aus unserer Region Wie Johanne Kippenberg Mädchen den Weg zur Bildung freimachte
Standdatum: 1. September 2023.
Schulunterricht für Mädchen war vor knapp 150 Jahren noch eine Seltenheit. Die Bremerin Johanne Kippenberg setzte sich dafür ein, dass Mädchen die gleichen Bildungschancen wie Jungs bekamen.
Ein Platz in einem Klassenzimmer war zu Beginn des 19. Jahrhundert vor allem Jungs vorbehalten. Sie sollten mit Unterricht in Naturwissenschaften, Mathematik und Latein auf ihre Berufe vorbereitet werden, auf ihre Rolle als Familienversorger und gesellschaftliche Entscheider. Mädchen wurden nur unterrichtet, wenn sie aus bürgerlichen Haushalten stammten – und dann auch nur von Hauslehrerinnen oder Gouvernanten im heimischen Kinderzimmer. Nach der Konfirmation war meistens Schluss mit dem Unterricht.
Dieser Zugang war Mädchen sehr lange verwehrt, weil die Vorstellung nach wie vor herrschte: Die Frau gehört ins Haus
Gunilla Budde, Professorin für Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Uni Oldenburg
Das änderte sich Mitte des 19. Jahrhundert: In ganz Deutschland wurden Mädchenschulen gegründet, um auch ihnen den Weg ins Klassenzimmer zu ermöglichen. Das hatten sie der voranschreitenden Frauenbewegung zu verdanken. Die Aktivistinnen setzten sich nämlich nicht nur für das Wahlrecht und die demokratische Teilhabe von Frauen ein, sondern auch dafür, dass sie die gleiche Bildung bekamen. "Dieser Zugang war Mädchen sehr lange verwehrt, weil die Vorstellung nach wie vor herrschte: Die Frau gehört ins Haus", erklärt Gunilla Budde, Professorin für Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Uni Oldenburg.
Begeistert vom Lernen
Eine Bremerin widersetzte sich dieser Vorstellung: Johanne Kippenberg, 1842 in eine Handwerkerfamilie geboren, besuchte selber eine Mädchenschule. Das war damals eine Seltenheit: Meistens waren es Töchter aus bürgerlichen Haushalten, die Mädchenschulen besuchen durften. Johanne war so begeistert vom Lernen, dass sie beschloss, Lehrerin zu werden. Mit 20 Jahren zog sie nach Bremen und machte ihre Ausbildung. Kurz nach ihrem Abschluss ging sie nach Bremerhaven, um dort eine Schule zu leiten.
Wenn ein Mädchen einen Beruf ausüben sollte, dann der Lehrerinnenberuf, weil dieser mit seinen Fürsorge- und Erziehungsaufgaben schon sehr nah an der Mutterrolle war.
Gunilla Budde, Professorin für Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Uni Oldenburg
"Johanne Kippenberg war wirklich eine Pionierin, weil sie sich relativ früh mit der Mädchenbildung beschäftigt hat", sagt Gunilla Budde. "Auch aus eigenem Antrieb, weil sie selber Lehrerin werden wollte." Der Lehrerinnenberuf sei nämlich der einzige Frauenberuf gewesen, der in bürgerlichen Kreisen auch akzeptiert wurde. "Wenn ein Mädchen einen Beruf ausüben sollte, dann der Lehrerinnenberuf, weil dieser mit seinen Fürsorge- und Erziehungsaufgaben schon sehr nah an der Mutterrolle war."
Zwischen Haushalt und Schulbank
Johanne Kippenberg blieb mit ihrem Ausbilder eng verbunden. August Kippenberg war Witwer und hatte drei Kinder, und die beiden heirateten schließlich 1865. Die Mädchenbildung war beiden ein Anliegen: Sie gründeten erst eine private "Lehranstalt für erwachsene Töchter", einige Jahre später folgte eine höhere Töchterschule. Diese Schule sollte in kürzester Zeit die größte Töchterschule in ganz Deutschland werden.
An den meisten Mädchenschulen wurde vor allem Religion, Handarbeit, Kunst und Musik unterrichtet. Das hatte einen Grund, sagte Gunilla Budde: "Um sich eben für die Zukunft als Hausfrau, also für ihre weibliche Berufung – so sagte man immer schön – gerüstet zu sein. Damit war sie für den Mann eine adäquate Gesprächspartnerin, aber ihre Hauptaufgabe sollte es ja sein, sich vornehmlich um den Haushalt und die Kinder zu kümmern."
Mathematik für bessere Haushaltsführung
Johanne Kippenberg sah das anders: Sie fand, dass Mädchen genau die gleichen Bildungschancen wie Jungs haben sollten, um eben nicht nur auf die Rolle als Mutter und Ehefrau, sondern auch auf einen Beruf vorbereitet zu werden. Ihr Motto: Lehrt für das Leben und nicht bloß für die Schule. Wie andere Pionierinnen der Frauenbildung setzte sich unter anderem dafür ein, dass Mädchen auch Mathematikunterricht bekamen. Ihr Argument: Nur so ließe sich ein Haushalt auch wirklich gut führen.
Nach dem Tod ihres Mannes übernahm Johanne Kippenberg die Schulleitung für weitere 15 Jahre. Sie schrieb Lehrbücher für den Deutschunterricht, die noch viele Jahrzehnte später benutzt wurden. Aus der Schule sollte später das noch heute bestehende Kippenberg-Gymnasium hervorgehen. Johanne Kippenberg starb 1925 in Bremen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 02.09.2023, 13:40 Uhr