Frauengeschichte(n) aus unserer Region Wie sich diese Bremerin als Stewardess auf hoher See behauptete
Standdatum: 29. Juli 2023.
Stewardess, das war Ende des 19. Jahrhunderts ein ganz neuer Beruf für Frauen. Sie waren vor allem auf großen Passagierschiffen unterwegs. Ein harter Job auf hoher See, in dem sich die ersten Stewardessen regelrecht durchkämpfen mussten – eine von ihnen war die Bremerin Leontine Schwöbmann.
Der Weg in ein anderes Leben beginnt Ende des 19. Jahrhunderts für viele Auswanderer in großen Passagierschiffen. Wochenlang müssen sie auf engem Raum ausharren, werden seekrank, bangen um ihre Zukunft. In den unteren Klassen ist es eng, dreckig und stickig. Auf den oberen Decks werden die Passagiere vollumfänglich versorgt und genießen die Überfahrt in die Vereinigten Staaten. Für die weiblichen Passagiere hier oben sind Stewardessen zuständig. Eine von ihnen war die Bremerin Leontine Schwöbmann. 25 Jahre lang schipperte sie zwischen Bremerhaven und New York hin und her.
Frauen auf Schiffen – das war noch um 1800 völlig undenkbar, sagt die Historikerin Ursula Feldkamp: "Es ist so, dass an diesem Spruch 'Frauen an Bord bringen Unglück' in den Augen der Seeleute viel dran war. Sie haben für Stürme Frauen verantwortlich gemacht. (...) Erst, als die Schiffe größer wurden – also 400 bis 500 Mann Besatzung – war es notwendig, dass man auch für die Frauen Bedienstete einstellte."
Neustart mit 46: Frau Schwöbmann heuert an
Die Bremerin Leontine Schwöbmann wird 1854 in Zeven geboren und heiratet mit 23 den Bremer Buchhalter Heinrich Schwöbmann. Er bringt zwei Kinder mit in die Ehe. Ihr Mann arbeitet sich zum Bankdirektor hoch. Leontine bekommt vier Kinder, sie führt ein ruhiges, privilegiertes, bürgerliches Leben. Dann aber verliert ihr Mann seine Stelle. Die Familie zieht nach Achim, Heinrich Schwöbmann gründet eine weitere Bank, die nach kurzer Zeit pleitegeht – damit verlieren unzählige kleine Handwerksbetriebe ihr Erspartes. Als gegen Heinrich Schwöbmann ein Haftbefehl erlassen wird, nimmt er sich das Leben. Leontine und die Kinder bleiben ohne Geld und mit ruiniertem Ruf zurück. "Man kann sich vorstellen, dass die Gläubiger hinter dieser Frau her waren und dass das alles nicht funktioniert hat", ordnet Feldkamp die aussichtslose Lage ein. Leontine Schwöbmann zieht mehrfach mit den Kindern innerhalb Bremens um, schlägt sich mit Putzaufträgen durch. 1890 ist sie 46 Jahre alt und beschließt, zur See zu fahren, um die Familie durchzubringen. Ihre Stiefkinder leben inzwischen bei den Großeltern, die eigenen Kinder kommen bei einem ehemaligen Angestellten unter.
Lange Überfahrten, harte Arbeit
Ihre erste Reise führt mit dem Passagierschiff "Saale" nach New York. Aufgrund ihrer bürgerlichen Herkunft ist Leontine Schwöbmann für die Frauen in den oberen Klassen verantwortlich. Der Job auf den langen Überfahrten ist hart: Die Stewardessen müssen die Frauen bedienen, die Kabinen sauber halten, sich um Kinder kümmern und kranke Passagierinnen betreuen. "Sobald die Passagiere an Bord kamen, hatten sie keine Freizeit mehr. Sie waren einfach immer zuständig. Sie hatten auch keinen Privatbereich für sich", sagt die Historikerin. In der streng durchorganisierten Hierarchie an Bord hätten die wenigen Stewardessen keinen festen Platz gehabt: "In die Mannschaft haben sie mit Sicherheit gar nicht reingepasst. Die Stewards, die dann in den Gesellschaftsräumen zu tun hatten, die haben natürlich auf diese Frauen heruntergeblickt, die sich in den Gesellschaftsräumen noch nicht mal blicken lassen durften."
Es muss eine sehr starke Frau gewesen, weil sie sich auf diesen Passagierschiffen durchgebissen hat.
Historikerin Ursula Feldkamp über Leontine Schwöbmann
Leontine Schwöbmann aber muss sich ab ihrer ersten Reise bewährt haben. Sie fährt über mehrere Jahre bei den gleichen Kapitänen mit, sie vertrauen ihr. "Es muss eine sehr starke Frau gewesen sein, weil sie sich auf diesen Passagierschiffen durchgebissen hat. Es gibt Dokumente und Dokumentationen darüber, wie schwer die Frauen es hatten, sich zum Beispiel auch gegenüber den Stewards zu behaupten", weiß Feldkamp. Sie steigt die Karriereleiter an Bord hoch, verdient mehr Geld. Eine Spitzenposition bekommt sie aber wegen ihrer Vorgeschichte nicht: "Sie war immer die zweite Stewardess. Die erste Position wollte man ihr vielleicht auch wegen ihres Mannes nicht zutrauen. Man hatte viel Verantwortung über Wäsche und Co., daran durfte sich niemand bereichern." Leontine Schwöbmann aber hält trotz der harten Arbeit und den Vorurteilen durch.
Bei den Passagieren hatte sie einen guten Stand, erzählt ihre Enkelin Jahre später in einem Brief: "(...) Ein alter Bekannter in den 1950er-Jahre berichtete, er entsänne sich einer Stewardess, die sich enorm eingesetzt und um alle gekümmert habe."
Nach 25 Jahren auf See ist Schluss
Sie ist auf jeden Fall ein Beispiel dafür, wie Frauen sich durchkämpfen mussten gegen die Männerwelt, die einfach die Schicksale von Frauen nicht in Betracht gezogen hat.
Historikerin Ursula Feldkamp über Leontine Schwöbmanns Schicksal
Anfang der zwanziger Jahre untersucht ein Schiffsarzt Leontine Schwöbmann, sie hat Rheuma, Herzrhythmusstörungen und Angstzustände. Sie ist arbeitsunfähig. Mit 65 Jahren kehrt die Stewardess nach Bremen zurück und zieht in ein Diakonissenhaus in Gröpelingen. "Sie ist auf jeden Fall ein Beispiel dafür, wie Frauen sich durchkämpfen mussten gegen die Männerwelt, die einfach die Schicksale von Frauen nicht in Betracht gezogen hat. Das war einfach egal, was aus diesen Frauen wird. Die mussten selber ganz viel kämpfen, um sich selbst und ihre Kinder durchzubringen und unter Umständen auch so eine Art Ehre wiederherstellen", so Ursula Feldkamp.
Leontine Schwöbmann hat es geschafft, sich unabhängig zu machen; sie ging an Bord und kam immer wieder zu ihren Kindern zurück. 1928 stirbt sie mit 74 Jahren bei den Bremer Diakonissen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 26. Februar 2022, 12:40 Uhr