Im Porträt Was ist feministische Außenpolitik, Kristina Lunz?
Standdatum: 9. Dezember 2022.
Sie ist ein Arbeiterkind, kommt aus einem Dorf in Oberfranken und studierte Diplomatie und Regierungsführung an der Eliteuni in Oxford. Heute berät Kristina Lunz Regierungen und Politik zu Fragen einer feministische Außenpolitik. Sie ist Aktivistin, Speakerin und Autorin. Ihr Weg ist geprägt von mutigen Entscheidungen und dem Glauben an eine gerechtere Welt.
Schon als Kind will Kristina Lunz Bürgermeisterin werden. So erzählt es zumindest ihre Mutter. "Ich wollte auch mal den Ton angeben", sagt sie heute. Denn im kleinen Dorf in der fränkischen Schweiz, aus dem sie stammt, wurden immer alle wichtigen Entscheidungen von Männern getroffen: "Vom Wirtshausbesitzer, über die Sportvorstände, Pfarrer oder Hausarzt. Alle, die was zu sagen hatten, waren Männer."
Außenpolitik für ein faires Miteinander
Heute, mit Anfang 30, gibt Kristina Lunz selbst den Ton an. In ihrer eigenen Organisation in Berlin, die sie mitbegründet hat. Das "Centre for Feminist Foreign Policy" berät politische Akteure und Regierungen darin, ihre Außenpolitik feministisch zu gestalten. Feministische Außenpolitik bedeutet dabei mehr, als dass Frauen häufiger Ministerien oder Regierungen führen.
Eine Frau als Außenministerin macht Außenpolitik nicht automatisch feministisch.
Kristina Lunz
Ziel ist es, die Strukturen und das Miteinander auch auf globaler Ebene grundlegend zu verändern und die Unterdrückung aller benachteiligter Gruppen zu überwinden: "Es geht darum, Machstrukturen zu hinterfragen und so zu verändern, dass alle Bevölkerungsgruppen gleichwertig, frei und gerecht leben können." Dass mit Annalena Baerbock erstmals eine Frau in Deutschland Außenministerin ist, macht die Außenpolitik nicht automatisch feministisch, sagt Kristina Lunz. Dennoch bekennt sich auch die Bundesregierung zu einer feministischen Außenpolitik, wie immer mehr Länder weltweit.
Als Arbeiterkind vom Land zur Elite-Uni Oxford
Kristina Lunz hat unter anderem "Globale Regierungsführung und Diplomatie" an der Eliteuni in Oxford studiert. Bei ihrem ersten Besuch in Oxford als Touristin drei Jahre zuvor erscheint ihr diese elitäre Welt noch sehr fremd für ein Mädchen aus einem 80-Seelen-Dorf in Oberfranken. Der Vater ist gelernter Elektriker, die Mutter Erzieherin. "Das wird nie meine Welt sein", sagte sie damals zu sich selbst.
Dass die Eliteuni dann doch zu ihrer eigenen Welt wird, verdankt sie Menschen, die ihr Mut machen, an sich zu glauben. Sie motivieren Lunz, sich für ein Stipendium zu bewerben. Das Studium feministischer Literatur weckt in dieser Zeit die Aktivistin in ihr, die traditionelle Strukturen aktiv hinterfragt. Zur Einführungsveranstaltung in Oxford ignoriert sie den Dresscode und erscheint lieber im Hosenanzug mit Fliege, statt wie für die Frauen üblich mit einem Bändchen um den Hals. Und prompt wird sie gefragt, warum sie sich nicht anpassen könne.
Bild-Kampagne gegen Sexismus
2014 kämpft sie gegen die Abbildung nackter Frauen in der Bild-Zeitung. Aus einem offenen Brief an den damaligen Chefredakteur Kai Diekmann wird eine Petition gegen Sexismus in der Bild. Die Reaktionen sind heftig und unerwartet. In den sozialen Netzwerken wird sie von Männern auf übelste beleidigt und bedroht.
Ich dachte damals, ich werde mich nie wieder öffentlich äußern, wenn das die Reaktion ist.
Kristina Lunz über die Reaktionen auf ihre Petition gegen Sexismus in der Bild-Zeitung
Es ist eine schwere Zeit für Kristina Lunz mit damals Mitte Zwanzig. "Ich dachte: Ich werde mich nie wieder öffentlich äußern, wenn das die Reaktion ist." Dann wird ihr klar, dass es gar nicht um ihre Person geht. "Als mir klar war, dass es vor allem darum geht, Frauen zum Schweigen zu bringen, die den Status Quo in Frage stellen, war ich umso entschlossener", sagt sie rückblickend. Mit Erfolg: die nackten Frauen verschwinden aus der Bild. Es folgen weitere erfolgreiche Kampagnen wie "Nein heißt nein" zur Veränderung des Sexualstrafrechts in Deutschland.
Feministische Außenpolitik: Lösung für globale Krisen der Gegenwart?
Den Mut, den sie als Aktivistin hat, zeigt Kristina Lunz auch ihrem beruflichen Weg. Statt weiter nach dem Studium für die Vereinten Nationen zu arbeiten, macht sie sich selbstständig und gründet das "Centre for Feminist Foreign Policy". "Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch" heißt ihr aktuelles Buch mit dem sie zeigen will, dass nur so die globalen Krisen unserer Zeit dauerhaft gelöst werden können. Dafür in die aktive Parteipolitik eintreten will sie bislang nicht. "Aktuell fühle ich mehr sehr wohl in meiner freien Rolle als Beraterin", sagt sie. Die oberfränkische Heimat muss also noch weiter auf Kristina Lunz als Bürgermeisterin warten.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 9. Dezember 2022, 18:05 Uhr