Frauengeschichte(n) aus unserer Region Warum diese Bremer Revolutionärin uns bis heute prägt

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Louise Aston, bekannt dafür, dass sie in Männerkleidung auf die Straße gegangen ist.
Louise Aston war bekannt dafür, in Männerkleidung auf die Straße zu gehen und sich für die Rechte von Frauen einzusetzen. Bild: Focke-Museum | Focke-Museum

Im Jahr 1848 kämpften Frauen in ganz Deutschland für ihre Ziele. Einige Frauen versuchten aber in ganz Deutschland, während der Revolution für ihre Ziele und Anliegen einzustehen. In Bremen nahmen zwei Frauen dafür sogar Gefängnisstrafen in Kauf. 

Louise Aston, bekannt dafür, dass sie in Männerkleidung auf die Straße gegangen ist.
Louise Aston war bekannt dafür, in Männerkleidung auf die Straße zu gehen und sich für die Rechte von Frauen einzusetzen.

Louise Aston und Marie Mindermann saßen für ihre Rechte im Gefängnis

Im Jahr 1848 kämpfen Frauen in ganz Deutschland für ihre Ziele. In Bremen nehmen zwei Frauen dafür sogar Gefängnisstrafen in Kauf.

Bild: Focke-Museum | Focke-Museum

Die Bremerin Marie Mindermann will nicht mehr schweigen. Sie ist 40 Jahre alt, als in ganz Deutschland die Märzrevolution losbricht – und sie will mitmachen, mitreden, mitgestalten. Aber in Bremen ist vom revolutionären Geist wenig zu spüren. "Ich habe geschrieben, weil es kein anderer tat. Wie soll es besser werden, wenn ein Jeder seinen Mund mit einem Siegel verschließt?"

Nur der demokratische Pastor Rudolph Dulon setzt sich für die Ziele der Revolution ein. Als er verhaftet wird, verfasst Marie Mindermann eine Petition, damit er freigelassen wird, veröffentlicht danach satirische Schriften über die politische Situation in Bremen. Alles, ohne ihren Namen zu nennen. Deshalb dauert es auch eine Weile, bis man ihr auf die Schliche kommt, sagt die Kuratorin Karin Walter vom Bremer Focke Museum.

Das Spannende ist, dass die Polizei erstmal gar nicht geglaubt hat, dass das von einer Frau verfasst sein könnte.

Karin Walter vom Bremer Focke Museum

"Das Spannende ist, dass die Polizei erstmal gar nicht geglaubt hat, dass das von einer Frau verfasst sein könnte. Und erst, als man‘s ihr geglaubt hat, musste sie dafür acht Tage ins Gefängnis", sagt Karin Walter. Eingeschüchtert hat das Marie Mindermann nicht: Über ihre Erlebnisse im Gefängnis veröffentlichte sie direkt die nächste Schmähschrift.

Frauen wurden bei der Revolution nicht mitgedacht

Über Frauen wie Marie Mindermann ist heute wenig überliefert. Denn auch wenn die 1848er-Revolution ganz der Demokratie gewidmet war – Frauen waren dabei nicht mitbedacht. Ihre Rolle in der Gesellschaft war streng vorgeschrieben, erklärt Kuratorin Karin Walter vom Bremer Focke-Museum. "Die Frau als eigenständiges Wesen, die sozusagen ihre eigenständige Rolle in der Gesellschaft hat, das war Mitte der 19. Jahrhunderts einfach nicht. Eine eigene politische Rolle ist ihr nicht zugestanden worden", erklärt Walter. 

Das spürt Marie Mindermann schon von klein auf: Sie ist sehr begabt, lernt früh zu lesen und will eigentlich Lehrerin werden. Das traut ihr ihre Familie aber nicht zu. Als jüngste Tochter lebt sie bis zum Tod der Mutter und des Vaters in ihrem Elternhaus.

Louise Aston aus Bremen: Blick für soziale Ungerechtigkeiten

Ganz anders erging es Louise Aston: Mit 17 Jahren wird die junge Frau aus Sachsen-Anhalt mit einem 23 Jahre älteren Industriellen verheiratet. Da hat er schon vier uneheliche Kinder. Auch Louise wird nicht mit ihm glücklich. Nach drei Jahren wird die Ehe geschieden. Als das einzige gemeinsame Kind stirbt, finden sie wieder zueinander und heiraten erneut. Nach zwei weiteren Kindern folgt die endgültige Scheidung. 

Sie wollte einfach auf die sozialen Missstände hinweisen.

Karin Walter über Louise Aston

Louise Aston siedelt alleine nach Berlin über, schließt sich linken politischen Gruppen an und schreibt erste Bücher. In der Zeit mit ihrem Mann hat sie aber ein Thema für sich entdeckt, für das sie über viele Jahre kämpfen wird, sagt Karin Walter: "Sie hatte gesehen, wie schlecht es den Arbeitern nach der Industriellen Revolution geht. Ihr erster Roman handelte auch inhaltlich davon. Und sie wollte einfach auf die sozialen Missstände hinweisen."

Erotische Romane, Männerkleidung und unterschiedliche Liebhaber

Doch Louise Aston will sich nicht nur für die Schwächsten, sondern für die Selbstbestimmung von Frauen einsetzen. Sie eckt gerne an, veröffentlicht erotische Romane und hält vom biederen und bescheidenen Auftreten von Frauen in der Öffentlichkeit gar nichts: "Sie hat es gewagt, was heute kein Problem wäre, aber sie ist in Männerkleidung auf die Straße gegangen und hat öffentlich geraucht, was damals ein totaler Affront war. Und sie hatte offenbar ganz unterschiedlich Liebhaber, was für die damalige Zeit nicht ging", sagt Kuratorin Walter. 

Das ist zu viel für die Berliner Oberen: Louise Aston wird als staatsgefährdende Person der Stadt verwiesen. Und auch sie schreibt wie Marie Mindermann ihre Erfahrung in einem Buch auf. Sie nennt es „Meine Emanzipation, Verweisung und Rechtfertigung“ und spricht sich darin für Geschlechtergerechtigkeit und freie Persönlichkeitsentfaltung aus.

1848: Erster Schritt für das Frauenwahlrecht 

Im Gegensatz zu Marie Mindermann zieht Louise Aston in den Revolutionsjahren in den Kampf: 1848 schließt sie sich einem Freikorps als freiwillige Pflegerin an. Die Truppe kämpft als Teil der Nationalbewegung in Schleswig-Holstein gegen Dänemark. Louise versorgt Verwundete und lernt im Lazarett ihren zweiten Mann, den Arzt Eduard Maier kennen. Der nimmt sie nach dem Krieg mit in seine Heimat Bremen.

So ein erstes Samenkorn, dass Frauen auch wählen durften und gleichberechtigt waren wie die Männer, das wurde 1848 zart angedeutet. Aber die Ernte wurde erst sehr viel später eingeholt.

Karin Walter, Kuratorin Focke Museum

Das Frauenwahlrecht, auf das Marie Mindermann und Louise Aston so sehr in der Märzrevolution gehofft hatten, kommt erst 1918. Aber 1848 war ein erster Schritt, sagt Karin Walter: "So ein erstes Samenkorn, dass Frauen auch wählen durften und gleichberechtigt waren wie die Männer, das wurde 1848 zart angedeutet. Aber die Ernte wurde erst sehr viel später eingeholt."

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 08.04.2023, 13:40 Uhr

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