Im Porträt Psychologin Saher Khanaqa-Kükelhahn integriert Geflüchtete in Bremen
Standdatum: 17. Mai 2024.
Die Psychologin Saher Khanaqa-Kükelhahn ist vor 40 Jahren mit ihren Eltern aus dem Irak nach Deutschland gekommen und hilft nun anderen Menschen bei deren Ankommen. Sie organisiert Beschäftigungsprogramme und Demokratieprojekte. Außerdem therapiert sie in ihrer Praxis kriegstraumatisierte Menschen.
Draußen war der Krieg. Es hat Bomben geregnet. Überall war Not. Aber wir hatten trotzdem ein super behütetes Gefühl, weil meine Eltern uns das Gefühl vermittelt haben, wir kriegen das schon hin.
Als Jugendliche floh Saher Khanaqa-Kükelhahn mit ihrer Familie aus dem Irak.
Als Kind und Jugendliche hat sie den Iran-Irakkrieg miterlebt. Ihre Familie stammt aus dem kurdischen Teil des Irak: "Draußen war der Krieg. Es hat Bomben geregnet. Überall war Not. Aber wir hatten trotzdem ein super behütetes Gefühl, weil meine Eltern uns das Gefühl vermittelt haben, wir kriegen das schon hin. Und dieses Motto, wir kriegen das schon hin, das begleitet mich mein Leben lang: Wir kriegen irgendwie immer alles schon hin."
Je integrierter die Menschen sind, umso gesünder sind sie.
Weiß die Diplompsychologin und Psychotherapeutin aus Erfahrung.
Und tatsächlich bekommt Saher Khanaqa-Kükelhahn offenbar alles hin, was sie anpackt. Ihre Integrationsprojekte schreiben Erfolgsgeschichte: Die Upcycling-Werkstatt im Bürgerhaus Vahr, wo Geflüchtete und Migranten nicht nur nähen lernen, sondern auch Deutsch. Die Jugendtheatergruppe, wo Bremer Jugendliche mit geflüchteten Gleichaltrigen auf der Bühne stehen oder die Kantine im Theater Bremen, wo Geflüchtete kochen und sich für den Arbeitsmarkt qualifizieren: "Je integrierter die Menschen sind, umso gesünder sind sie. Eigentlich ist Integration der Boden für Gesundheit. Nicht nur für psychische Gesundheit auch für körperliche Gesundheit."
Überzeugt mit Kompetenz, Lebenserfahrung und Ideenreichtum
Ihr eigenes Leben wirkt wie eine vorbildhafte Integrationsbiografie. Als Jugendliche kam sie nach Deutschland, erst Göttingen, dann Hannover und ein paar Jahre später hatte sie schon das Abitur in der Tasche. Einen Kulturschock hat sie nie empfunden: "Das Einzige, was mich genervt hat: Ich komme aus Kurdistan und alle hatten nur Karl May im Kopf in den Achtzigern. Und dann war diese Vorstellung, ich komme aus dem wilden Kurdistan und habe einen Schock, wenn ich einen Kühlschrank sehe oder ein Auto."
Wo sie wieder die Energie finden können, zu sagen: Okay, ich habe was verloren, ich habe was erlebt, aber ich kann genauso gut nach vorne schauen.
Saher Khanaqa-Kükelhahn über Menschen, die Krieg erlebt haben.
In Bremen hat Saher Khanaqa-Kükelhahn Psychologie studiert und mit 24 Jahren ihre eigene Praxis eröffnet. Sie spricht arabisch, kurdisch und türkisch. Menschen, die von Krieg und Flucht belastet sind, kommen häufig in ihre Praxis: "Wie kann man denen ein Pendant anbieten, dass sie Kräfte sammeln. Dass sie wieder das Vertrauen zum Leben, zu Menschen, zu sich selbst finden können. Wo sie dann wieder die Energie finden können, zu sagen: Okay, ich habe was verloren, ich habe was verlassen, ich habe was erlebt, aber ich kann genauso gut nach vorne schauen, und gucken, was kriege ich mit dem, was ich bin. Ich bin ja nicht verändert, nur weil ich einen Krieg erlebt habe. Ich habe ja noch meine Kompetenzen."
Demokratie als Herzensprojekt
Saher Khanaqa-Kükelhahn möchte auch kriegstraumatisierte Menschen erreichen, die nicht in ihre Praxis kommen, etwa mit Schulprojekten für Kinder aus der Ukraine.
Hey, schätzt doch mal die Demokratie. Und bitte meckert nicht.
Lautet ihr Appell an alle, die hier geboren und aufgewachsen sind.
Außerdem ist lebendige Demokratie ihr Herzensanliegen. Schließlich ist ihre Familie vor dem Diktator Saddam Hussein nach Deutschland geflohen: "Ich könnte an jedem Tag an jeder Haustür klingeln bei jeder deutschen Familie und sagen: "Hey, schätzt doch mal die Demokratie. Und bitte meckert nicht. Wir können zwar optimieren, aber wir haben einen Sozialstaat, der wirklich funktioniert."
Sie organisiert Demokratieprojekte, Demokratieausstellungen und Demokratieparties. "Square" heißt das neuste Projekt. An verschiedenen Orten überall in Bremen sollen Menschen in Kontakt kommen und Demokratie feiern und diskutieren. "Ich habe mich nie in der Position gefühlt, ich bin ein fremder Teil, der hier lebt. Sondern ich empfinde mich immer als Teil dieser Gesellschaft, die genauso in der Verantwortung steht, was zu machen, was zu gestalten."
Kurdistan ist Heimat, Bremen das Zuhause
Ab und an reist sie in ihre alte Heimat, nach Kurdistan. Im vergangenen Jahr zum ersten Mal in Begleitung ihrer beiden Töchter dort: "Verwandte waren für sie, als hätten sie sie schon gekannt. Es war für mich ein wunderschönes Gefühl zu sehen: Die beiden fühlen sich echt gut in Kurdistan." Die Region bleibt für Saher Khanaqa-Kükelhahn immer die Heimat, aber Bremen ist längst ihr Zuhause, sagt sie: "Der Verlust der Heimat war schlimm. Aber der Gewinn war so groß, dass ich gar nicht sagen kann, das war belastend. Ich wusste ganz genau, ich kann als Frau hier in diesem Land viel mehr Möglichkeiten haben, um mein Leben so gestalten, wie ich will, als in meiner Heimat. Insofern war der Verlust zwar groß und sehr schmerzhaft, aber der Gewinn war so schön, dass ich gar nicht sagen kann, es war belastend."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 22. Mai 2024, 18:05 Uhr