Im Porträt Klaus Schikore ging für die Freiheit ins Gefängnis

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Klaus Schikore
Klaus Schikore hat in den vergangen Jahren immer wieder seine Geschichte erzählt. Bild: Klaus Schikore privat

Klaus Schikore hat in zwei Diktaturen gelebt: Als Schüler im Nationalsozialismus und als politischer Gefangener in der DDR. An die jüngeren Generationen appelliert er: Die Geschichte darf sich nicht wiederholen!

Klaus Schikore

Klaus Schikore hat in zwei Diktaturen gelebt

Klaus Schikore hat in zwei Diktaturen gelebt: Als Schüler im Nationalsozialismus und als politischer Gefangener in der DDR. An die jüngeren Generationen appelliert er: Die Geschichte darf sich nicht wiederholen!

Bild: Klaus Schikore privat

 

Schon zwei kleine Angaben zu Klaus Schikore reichen, um ein Bild seiner Kindheit und Jugend entstehen zu lassen: geboren 1929 in Stralsund. Er und sein Zwillingsbruder Horst wachsen in den Nationalsozialismus hinein. Ihr Spielzeug besteht aus kleinen Soldaten, den "Führer" haben sie gleich in mehrfacher Ausführung: mit Mütze und ohne, aber immer ist sein rechter Arm beweglich für den Hitler-Gruß. 

Auf der Nazi-Elite-Schule ging es um Härte

Bruder Horst stirbt früh, Klaus geht allein auf die Nationalpolitische Erziehungsanstalt Rügen, im Volksmund genannt "Napola". Die Schule ist eine Eliteschule der Nazis. Fragt man den heute 95-Jährigen nach seiner Zeit dort, fallen zwei Begriffe: "Härte" und "Begeisterung": "Die Napola war ein Leben in Uniform!" Erst 1945 kommt dann der Bruch: Der Führer ist tot, auf Rügen hat die Rote Armee das Sagen, der 15-jährige Klaus Schikore wird zeitweise festgenommen. Dann hört er Berichte von Opfern der Konzentrationslager und beschließt für sich persönlich: "Nie wieder".

Verurteilt zu 25 Jahren Zuchthaus in der DDR

Doch die "antifaschistisch-demokratische Umwälzung", die die Sowjets versprechen, bleibt aus. Und Klaus Schikore wehrt sich gegen die neue Diktatur. Zusammen mit zwei jüngeren Mitschülern verfasst er Flugblätter.

Da ging dasselbe in Rot los, was ich in Braun erlebt habe.

Klaus Schikore über die Anfangsjahre der DDR

Ein Himmelfahrts-Kommando, wie sich schnell herausstellt. Kurze Zeit später werden die Drei verhaftet: "Da ging dasselbe in Rot los, was ich in Braun erlebt habe." Es folgen für Klaus Schikore Kälte, Hunger, nächtliche Verhöre, Folter und eine Scheinerschießung. Und dann das Urteil: Das Sowjetische Militärtribunal erklärt den damals knapp 20-Jährigen und seine beiden Mitschüler zu Volksfeinden. Schikore wird zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt, die beiden jüngeren Schulkameraden bekommen 10 Jahre Arbeitslager. 

Die Denunzierungen waren eine bittere, bittere Erfahrung.

Klaus Schikore über seine Zeit als politischer Gefangener der DDR

Als Klaus Schikore in das berüchtigte Gefängnis Bautzen kommt, ist sein kleiner Sohn Jörg wenige Monate alt. Dieses Kind, das er kaum gesehen hat, wird zu einem der wesentlichen Gründe, alles überleben zu wollen. Und es ist viel: Die Haftanstalt Bautzen steht für psychische und physische Misshandlungen, Hunger und Tod: "Die Denunzierungen waren eine bittere, bittere Erfahrung."

Plötzlicher tut sich der Weg in die Freiheit auf

Was dann 1954 folgt, lässt sich kaum erklären: In einer plötzlichen Entlassungswelle kommt Klaus Schikore frei. Nach fünf Jahren darf er gehen. Warum, weiß er bis heute nicht. Doch Schikore will richtige Freiheit: Weg aus der DDR. Seinen Sohn lässt er erneut zurück. Er flieht über Berlin nach Göttingen. Seine Fluchthelferin ist eine junge Krankenschwester – und hier kommt der Satz mit dem Vertrauen: Sie ist der erste Mensch nach all dem Drill in der Eliteschule und den Denunziationen im Gefängnis, zu dem er Vertrauen fassen kann. Sie heiraten, bekommen vier Söhne, ziehen ins niedersächsische Osterholz-Scharmbeck. Klaus Schikore wird Gymnasiallehrer.  

Mit meinen Söhnen vor dem Gefängnis zu stehen – das war einmalig.

Klaus Schikore über das Ende der deutsch-deutschen Teilung

Doch der Ost-Sohn wird nicht vergessen: Die West-Familie hält die Kontakte über Stacheldraht und Schikane hinweg. Die deutsch-deutsche Wiedervereinigung erlebt Klaus Schikore deshalb auch ganz persönlich: Endlich ist die Familie wieder zusammen. Es hat sich gelohnt, immer und immer durchgehalten zu haben: "Mit meinen Söhnen vor dem Gefängnis zu stehen – das war einmalig".

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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 24. Februar 2025, 18:05 Uhr

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