Im Porträt Michel Friedman ist immer wieder laut gegen den Hass
Stand: 24. März 2025.

Ende Januar ist Autor und Moderator Michel Friedman nach 43 Jahren aus der CDU ausgetreten. Der 68-Jährige nannte die gemeinsame Abstimmung seiner Partei mit der AfD ein "unentschuldbares Machtspiel" und "eine katastrophale Zäsur für die Demokratie". Ein Großteil von Friedmans Familie wurde im Nationalsozialismus ermordet.
Gesprächszeit Warum Oskar Schindler für Michel Friedman ein Motor ist
Als Sohn polnischer Flüchtlinge ist Michel Friedman 1956 in Paris geboren. In der Metropole an der Seine hat er fast zehn Jahre gelebt. Dann zogen die Eltern nach Frankfurt am Main, in das Land der Täter. Dort war der Sohn für Mutter und Vater oft "Lebensübersetzer", auch wenn es zu Behörden ging. Obwohl das Orte waren, so Friedman, die ein Kind eigentlich überfordern. "Sehr früh war ich dadurch gezwungen, mit harten Realitäten des Lebens umzugehen", erinnert sich Friedman.
Seine Eltern standen auf "Schindlers Liste"
Die Mutter rührte Michels erstes Eis in einem Café zu Brei, damit er sich nicht den Hals verkühlt. Im Sommer musste er einen Rollkragenpullover tragen. Trotz dieser extremen Fürsorge würde er aber nicht von Helikopter-Eltern sprechen: "Helikopter-Eltern sind in der Regel Wohlstands-Eltern, die ein gestörtes Verhältnis zur Angst haben, obwohl sie kaum Risiko-Situationen kennengelernt haben. Bei meinen Eltern war es umgekehrt. Die haben das Maximum an Risiko kennengelernt, nämlich die Sekunde kurz vor dem Tod."
Für mich ist er bis heute der Motor, wenn ich verzweifelt bin.
Michel Friedman über Oskar Schindler
Die Eltern von Michel Friedman standen auf "Schindlers Liste". Ohne den deutschen Fabrikanten, der durch den Film von Steven Spielberg weltberühmt wurde, wären sie in Auschwitz getötet worden: "Für mich ist er bis heute der Motor, wenn ich müde bin, wenn ich verzweifelt bin."
Engagiert gegen den Hass
Michel Friedman, der mit Moderatorin Bärbel Schäfer zwei Söhne hat, versteht sich als Vertreter für Freiheit und Demokratie. Schon als Jugendlicher hat er den Mund aufgemacht, in der Rolle des Schulsprechers. Später dann als Fernsehmoderator, CDU-Politiker, jüdischer Funktionär im Zentralrat der Juden und als Publizist. Sein persönlichstes Buch ist "Fremd", eine lyrische Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit, die durch die Holocaust-Erfahrungen der Eltern geprägt war: "Für mich ist der Hass, die Hetze, die Zerstörungswut gegen Menschen und einen Gegenentwurf dazu zu setzen, eigentlich das ganze Leben."
Ich bin gern jemand, der mit Worten jongliert.
Michel Friedman über seinen Beweggrund, Jura zu studieren
Sein Vater wollte, dass er Medizin studiert, denn im Falle einer weiteren Flucht sei Arzt ein Beruf, den man überall ausüben könne. Friedman begann ein Medizinstudium, wechselte dann aber zu Jura: "Ich bin gern jemand, der mit Worten jongliert."
Der Antisemitismus in der Gesellschaft sorgt ihn
Friedman ist aber auch ein lebenslang Suchender. "Heimat" ist für ihn ein fragiler Begriff, weil man aus der Heimat vertrieben werden könne. Das Leben sei dynamisch: "Wurzeln können einem Kraft geben. Sie können einem aber auch die Kraft nehmen, weiterzugehen." Man brauche ein Stück Sicherheit, auch Rituale, um zur Ruhe zu kommen, räumt der 69-Jährige ein. Das Verharren im Mikrokosmos mache das Leben aber enger: "Für die meisten ist die Erfahrung, rausgegangen zu sein, eher eine Bereicherung als eine Bedrohung."
Ich glaube, dass es selten eine Zeit in meinem Leben gab, wo es um so viel ging.
Michel Friedman über die aktuelle politische Stimmung in Deutschland
Der zunehmende Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft macht ihm große Sorgen. Michel Friedman kritisiert, dass – vor allem nach dem 7. Oktober 2023 – Linksextremisten mit radikalen Islamisten gemeinsame Sache machen, zum Beispiel an den Hochschulen. Dennoch sei der Rechtsextremismus am gefährlichsten, weil er – durch die Wahlerfolge der AfD – in die Strukturen der Demokratie eingedrungen sei: "Ich glaube, dass es selten eine Zeit in meinem Leben gab, wo es um so viel ging."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 24. März 2025, 18:05 Uhr