Frauengeschichte(n) aus unserer Region Luftfahrt-Pionierin: Wie die Bremerin Hanna Kunath die Lüfte eroberte
Standdatum: 26. Januar 2022.
Hanna Kunath war eine der ersten Pilotinnen in Bremen. Sie flog Motor- und Segelflugzeuge, als die (Hobby)-Fliegerei noch eine richtige Männerdomäne war. Bremen-Zwei-Reporterin Jana Wagner stellt die Luftfahrt-Pionierin vor.
Es ist kalt und windig auf dem Bremer Flughafengelände. Ein Sportflugzeug setzt auf. Langsam rollt es die Landebahn entlang. Die Räder kommen zum Stehen. Die Kabinentür öffnet sich und eine Pilotin zieht sich die Haube vom Kopf. Blonde Locken kommen zum Vorschein – die der Bremerin Hanna Kunath. So beschreibt es ein Bremer Lokaljournalist 1936 in seinem Artikel "Ein Mädchen fliegt allein". Wobei "Mädchen" nicht ganz stimmt – denn da ist Hanna Kunath schon Mitte 20.
Die Kulturwissenschaftlerin Andrea Hauser hat sich mit dem Leben der Bremer Pilotin beschäftigt und sich durch Bilder und Zeitungsartikel aus ihrem Nachlass gewühlt. Sie ist überrascht, wie konsequent die Bremerin ihren Traum vom Fliegen verfolgte. Hanna Kunath sei eine sehr selbstbewusste junge Frau gewesen, sagt Hauser. "Die Fliegerei war in der Weimarer Republik eine Männerdomäne, die zwar mit Fortschritt und Aufbruch verbunden war, aber es war völlig ungewöhnlich, dass Frauen fliegen durften. Sie hat sich das schon als junges Mädchen strikt erarbeitet."
Ich bin überzeugt, wer tüchtig ist und wer was kann, der wird sich immer durchsetzen, ganz egal wie. Nur: Frauen müssen immer mehr leisten als Männer!
Hanna Kunath
Mit Anfang 20 beginnt Hanna Kunath mit dem Fliegen, mit 23 Jahren tritt sie als erste Frau in den "Bremer Verein für Luftfahrt" ein. Ein Jahr später, nach 100 Schulflügen, ist es dann so weit: Hanna Kunath hebt zum ersten Mal allein ab. Ein Jahr später bekommt sie ihren Flugzeugführerschein und darf Motorflugzeuge fliegen.
Sie ist jetzt eine der ersten Pilotinnen in Bremen. Dass sie damit in eine Männerdomäne stößt, ist ihr durchaus klar, wie sie einmal in einem Interview erzählt: "Ich bin überzeugt, wer tüchtig ist und wer was kann, der wird sich immer durchsetzen, ganz egal wie. Nur: Frauen müssen immer mehr leisten als Männer!"
Segelfluglehrerin für Mädchen
Als 1939 der Krieg ausbricht, will sie sich nicht dem Nationalsozialistischen Fliegerkorps anschließen. Motorflugzeuge sind in der Zeit immer schwerer zu chartern. Sie hört deswegen erst einmal mit dem Fliegen auf, entdeckt aber kurze Zeit später das Segelfliegen für sich. Hanna Kunath wird zum Vorbild und zur Lehrerin, erzählt Andrea Hauser: Sie gibt Segelflugunterricht, auch, um nicht paramilitärisch in die Luftfahrt eingebunden zu werden. Vor allem unterrichtet sie Mädchen.
Ein eigenes Flugzeug
Nach dem Krieg ist für Deutsche das Fliegen verboten. 1947 fliegt Kunath zum ersten Mal heimlich. Als das Fliegen wieder erlaubt ist, ist Hanna Kunath-Hübner – die nach ihrer Hochzeit einen Doppelnamen trägt – nicht mehr zu bremsen. Sie macht in den 1950ern neue Flugscheine undkauft sich ein eigenes Flugzeug.
Außerdem kümmert sie sich darum, dass die Flugzeuge und der Flugplatz in Bremen wieder in startklar sind und fotografiert für Zeitungen. Auch sie selbst wird immer häufiger fotografiert und porträtiert – sie genießt ihre Vorbildrolle als fliegende Bremerin in der Presse, wie Andera Hauser sagt: "Da gibt es sehr viele Fotos, auf denen sie im Alter in der Maschine sitzt. Sie kam dann auch in Frauenzeitschriften als berühmte Pilotin."
Ich bin nur aus Freude an der Sache geflogen – ohne jeden Ehrgeiz. Nur dieses "Nach oben" bedeutet mir so viel. Dieses Freisein in der Luft, das ist es.
Hanna Kunath-Hübner über ihre Leidenschaft für das Fliegen.
Ein Foto aus ihrem Nachlass zeigt Hanna Kunath-Hübner mit 83 Jahren im Cockpit ihres Flugzeugs "Orion". In diesem Alter reist sie noch zu Fliegertreffen in ganz Europa. Lange Zeit gilt sie als die älteste aktive Sportfliegerin Deutschlands. 1992 – zwei Jahre vor ihrem Tod – sagte sie: "Ich bin nur aus Freude an der Sache geflogen – ohne jeden Ehrgeiz. Nur dieses 'Nach oben' bedeutet mir so viel. Dieses Freisein in der Luft, das ist es."
Für die Kulturwissenschaftlerin Andrea Hauser ist die Lebensgeschichte der Fliegerin beeindruckend. Auch wenn sie zu Lebzeiten nicht bewusst für Frauen gekämpft hat, habe sie viel verändert: "Sie war nicht bewusst eine frauenbewegte Frau, sondern sie hat einfach ihr Hobby umgesetzt und dafür gekämpft, dass sie sich verwirklichen konnte. In dieser Richtung ist sie sehr wichtig für Bremen, weil sie dann auch Frauen das Fliegen eröffnet hat." Heute erinnert eine Bremer Straße an die Flugpionierin. Sie führt zum Flughafen – wohin auch sonst.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 28. Januar 2022, 13:40 Uhr