Frauengeschichte(n) aus unserer Region Lucie Flechtmann, die erste Frau, die einen Fußballverein gründete
Standdatum: 2. November 2020.
Vor gut 100 Jahren hatte die Bremer Marktfrau Lucie Flechtmann ihren Fisch-Stand vor der Alten Börse neben dem Rathaus. Als "Fisch-Lucie" hat sie sich einen Namen gemacht. Und sie war die erste Frau in Deutschland, die einen Fußballverein mitgegründet hat. Jana Wagner über Lucie Flechtmann und den Fußballverein FC Stern.
Fischhändlerin mit Unternehmergeist
Der Tag der Fischhändlerin begann früh: Mitten in der Nacht legte Lucie Flechtmann mit dem Boot ab. Noch bevor alle anderen Marktleute aufgestanden waren, hatte sie ihre Ware bei den Fischern eingekauft: glänzenden, fangfrischen Fisch aus der Weser, Störe, bis zu vier Meter lang. An manchen Tagen kaufte sie den Fischern sämtlichen Fisch ab; ihre Konkurrenz auf dem Marktplatz ging dann leer aus.
Aber Lucie Flechtmann war nicht nur eine findige Marktfrau, sondern sie gründete auch einen Fußballverein – den FC Stern Bremen. Rebecca Gefken vom Bremer Frauenarchiv Belladonna hat sich mit der Geschichte von Lucie Flechtmann auseinandergesetzt: "In Deutschland wird sie als die erste Frau gehandelt, die einen Fußballverein mitbegründet hat und auch maßgeblich mitfinanziert. Das sagt auch schon einiges über ihr unternehmerisches Know-How aus. Und das in der Zeit."
Soziales Engagement und ein großes Herz
Am 9. März 1850 wird Lucie Flechtmann in eine Fischhändlerfamilie in der Bremer Neustadt geboren. Sie heiratet zwei Mal. Ihr erster Mann stirbt, von ihrem zweiten Mann, dem Schlosser Albert Flechtmann, trennt sie sich später. Mit ihm und ihrem ersten Mann bekommt sie 17 Kinder.
1907 gründet sie den Fußballverein FC Stern in der Bremer Neustadt, wahrscheinlich benannt nach dem Namen des Raddampfers "Stern", mit dem sie morgens auf der Weser mitfuhr.
Werner Steinberg, der ehemalige Bibliotheksleiter der Handelskammer Bremen, schreibt über den FC Stern, er sei der "Verein der kleinen Leute", bekannt durch seine "eingeschworene Gemeinschaft". Nicht nur ihr Unternehmergeist hat Lucie Flechtmann dazu getrieben, einen Verein zu gründen, sondern vor allem ihre soziale Ader, sagt Rebecca Gefken. Manchmal versorgte sie die Fußballer mit Fisch oder lud die Mannschaft zu sich nach Hause zum Essen ein.
Sie hat sich dafür stark gemacht, den jungen Leuten auch eine Struktur zu geben.
Rebecca Gefken über Lucie Flechtmann
Riesige Anteilnahme an ihrem Tod
Bei den Fußballspielen stand die Fischverkäuferin regelmäßig am Spielfeldrand und unterstützte lautstark ihre Mannschaft – bis zum Schluss. Auch als sie körperlich nicht mehr in der Lage war, selbstständig zum Fußballplatz zu kommen, war sie dabei: Die Jungen haben sie auf einem Stuhl zum Fußballplatz getragen.
Erst im Jahr 1922 – 15 Jahre nach der Gründung – war der FC Stern erfolgreich und erreichte die Norddeutsche Meisterschaft. Die Gründerin Lucie Flechtmann erlebte das nicht mehr – sie starb im Jahr 1921. Besonders in der Bremer Neustadt war die Anteilnahme groß. Bei ihrer Beerdigung musste der komplette Friedhof Buntentor gesperrt werden, so groß war der Andrang an Menschen, die ihrer gedenken wollten.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 2. November 2020, 10:40h.