Im Porträt Wie Nicole Schindelar Chefin eines Schrottplatzes wurde

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Nicole Schindelar
Nicole Schindelar Bild: Nils Schwarz

Nicole Schindelar fährt Gabelstapler und bedient auch die Schrottpresse im Schlaf. Die 37-Jährige ist eine von wenigen Frauen, die in Deutschland einen Schrottplatz leiten. Unter dem Namen "Schrottplatz-Prinzessin" gibt sie auf ihrem Instagram-Account Einblicke in eine von Männern dominierte Welt.

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Gesprächszeit Nicole Schindelar ist Chefin eines Schrottplatzes

Nicole Schindelar ist eine von wenigen Frauen, die zwischen Schutt und Wertstoffen arbeiten. Als "Schrottplatz-Prinzessin" gibt sie auf Instagram Einblicke in diese Welt.

Bild: Nils Schwarz

Nicole Schindelar war erst 26 als sie eine weitreichende Entscheidung treffen musste. Im Dezember 2013 starb ihr Vater, der in zweiter Generation einen großen Autoverwertungshof führte. Während der emotionale Schmerz groß war, musste sich die Familie auch mit der Zukunft der Firma auseinandersetzen. Finanziell stand der Schrottplatz nicht gut da, viele Fragen waren ungeklärt: "Was passiert jetzt? Wer erbt jetzt die Anteile der Firma? Kommt ein Investor daher? Werden wir einfach schließen? Und die allerschlimmste Variante war wahrscheinlich, dass die Tochter das übernimmt", erinnert sich Schindelar.

Das hat wahnsinnig gedauert, bis ich das Know-How hatte.

Nicole Schindelar über die schwierigen Anfangsjahre als Unternehmerin

Als jüngste von drei Schwestern wagte sie den Sprung ins kalte Wasser. "Sicherlich war da ein riesengroßer Anteil an Naivität dabei", schmunzelt Schindelar heute. Ohne kaufmännisches Studium, ohne Erfahrung im Job und gegen jeden guten Rat übernahm die unerfahrene damals 26-Jährige die Firma. Sie stürzte sich in die Arbeit, versuchte herauszufinden wie die Dynamik der Branche funktioniert und belegte abends Buchhaltungskurse bei der Handelskammer: "Das hat wahnsinnig gedauert, bis ich das Know-How hatte". Zweifel kamen Schindelar erst später, als ihr langsam die Kräfte ausgingen während ihre Freundinnen und Freunde Städtereisen machten. "Ich saß schon oft im Teile-Lager und habe mich da hingesetzt auf den Boden und gedacht: Was zum Henker mache ich hier eigentlich?"

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Lange war sie nur "Papas Tochter"

Für viele Mitarbeiter und Kunden war Nicole Schindelar lange "die Tochter vom Papa", die noch nichts geschafft hatte im Leben. Mit 16 Jahren hatte sie die Abenteuerlust gepackt. Damals zog sie von zuhause aus, spielte zwei Jahre als Leistungsspielerin Tennis in England und ging dann zum Studieren nach Spanien. "Ich hatte immer schon – ob das jetzt ADHS war oder nicht – den Drang, die Erste und Beste und Schnellste zu sein." Als ehrgeizige Tennisspielerin genoss Schindelar den Applaus, doch parallel entwickelte sie eine Depression. "Ich habe mich gefühlt, als würde ich innen von einem Dämon besessen werden. Und ich war komplett machtlos. Ich konnte nichts mehr steuern." Viele Jahre nahm sie Medikamente, kam zurück nach Deutschland und scheiterte mit einer kleinen eigenen Werbeagentur.

Ich dachte, je männlicher ich bin oder mich verhalte, desto mehr passe ich rein.

Nicole Schindelar über die Illusion, der sie anfangs aufgesessen ist

Sie habe alle Fehler gemacht, die man machen könne, erinnert sich die heute 37-Jährige an ihren Lernprozess auf dem Schrottplatz. "Ich dachte, je männlicher ich bin oder mich verhalte, desto mehr passe ich rein. Aber ich habe irgendwann gemerkt: Ich muss gar nicht reinpassen." Rund sechs Jahre, sagt Schindelar, habe es gebraucht, bis sie die Anerkennung bekommen hat, die sie haben wollte: "Ich hatte Anrufe aus dem Ausland, die wollten mit dem Chef sprechen. Und dann habe ich gesagt, ich wäre dran. Und dann haben sie gesagt, sie würden gerne mit dem 'echten' Chef sprechen. Das kann ja nicht ich sein. Und dann haben die tatsächlich aufgelegt."

Bei 40 Mitarbeitenden kommt es auf gute Leute an

Jeden Tag startet sie mit einem Rundgang über den Schrottplatz und das aus gutem Grund: "Wenn ich einfach hochgehen würde ins Büro, würde ich einfach nichts mitbekommen." Auf ihrem Autoverwertungshof im Osten Münchens beschäftigt Nicole Schindelar rund 40 Mitarbeitende, die meisten davon sind Männer. Auf die richtige Mischung kommt es an, sagt sie: "Es ist fast schon notwendig herauszufinden, wer passt ins Team und wer passt nicht. Es muss nicht jeder gleich sein, darum geht es nicht. Es geht darum, dass keine zu krassen Querulanten da sind, dass Respekt da ist und dass nicht beschissen wird." Heute steht Nicole Schindelar selbstbewusst auf ihren unternehmerischen Füßen: "Ich glaube, man muss es sich auch ein bisschen erarbeiten und sich beweisen", sagt sie, wenn sie auf ihren Weg zurückblickt.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 6. Januar 2025, 18:05 Uhr

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Der Nachmittag mit Katrin Krämer

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