Im Porträt Wie Ulrich Wickert auf Augenhöhe mit Staatschefs parlierte
Standdatum: 31. August 2024.
Wir kennen Ulrich Wickert als "Mr. Tagesthemen". Geboren ist er in Tokio, mit fünf Jahren ist er nach Deutschland gezogen, mit 13 nach Paris. Es folgten ein Jurastudium in Bonn und der Journalismus. Er war Autor, Redakteur, Korrespondent, Studioleiter, Moderator und Literaturkritiker. Inzwischen schreibt er Krimis und Sachbücher.
In seinem jüngsten Buch "Salut les amis" beschäftigt Ulrich Wickert sich mit dem deutsch-französischen Verhältnis, und bei diesem Thema wird deutlich, wie sehr Ulrich Wickert durch seine eigene Beziehung zu Frankreich geprägt ist. Als sein Vater, ein deutscher Diplomat, Mitte der Fünfziger Jahre mit der Familie nach Paris zog, musste der 13-Jährige erst einmal richtig Französisch lernen, um in der Schule mithalten zu können. Später halfen ihm dann seine perfekten Sprachkenntnisse, als Fernseh-Autor immer wieder zur Wahlberichterstattung in Frankreich eingesetzt zu werden und sich damit einen Namen zu machen.
Frankreich wurde zu seinem zweiten Zuhause
Seine erste journalistische Arbeit lieferte er mit 14 Jahren ab: Eine Zeitungsreportage über den Eiffelturm, die in der Rhein-Neckar-Zeitung erschien. Das Schreiben ließ ihn dann nicht mehr los: Nach seinem Jura-Studium drängte es ihn mit Macht in die Medien, zunächst als Autor von Radio-Features, später als Redakteur im Fernsehmagazin "Monitor". Wickerts Verbindung nach Frankreich riss nie ab. Paris ist wie eine zweite Heimat. Im Süden des Landes besitzt er seit den Neunziger Jahren ein Haus. Als er begann, Kriminalromane zu schreiben – sieben sind es bisher –, spielten die Fälle seines Protagonisten, des Untersuchungsrichters Jacques Ricou, natürlich alle in Frankreich.
Du hast Anrecht auf eine Einzelzelle im Gefängnis.
Ulrich Wickert über die Vorteile seines Ordesn "Offizier der Französischen Ehrenlegion"
Das Nachbarland zeichnete ihn für seine Verdienste um die deutsch-französischen Beziehungen im Jahr 2005 mit dem Orden "Offizier der Französischen Ehrenlegion" aus. Typisch für Ulrich Wickert ist, dass er diese Wertschätzung genießt, aber auch mit verschmitztem Lächeln verrät, was die Ehrung im Detail bedeutet. Nämlich unter anderem dies: "Du hast Anrecht auf eine Einzelzelle im Gefängnis, und zweitens: Du kannst das Essen aus der Gefängnisküche zurückweisen und dir aus einem nahegelegenen Lokal das Zeug – auf eigene Kosten natürlich – bringen lassen."
Kenner der französischen Esskultur
Das Essen spielt in Ulrich Wickerts Leben und auch in seiner französischen Lebensart eine große Rolle. Als er im Pariser ARD-Studio arbeitete, mochte er einen exklusiven Käseladen in der Nachbarschaft kaum betreten, weil er sich nicht durch Ignoranz blamieren wollte. Seine Lösung: Er machte den Laden und dessen Chef zum Thema einer Fernsehreportage: "Jetzt konnte ich, als wir gedreht haben, jede blöde Frage stellen, weil ich war ja jetzt Journalist!"
Er wurde zum Kenner der französischen Esskultur, nicht zuletzt durch seinen Kollegen und Gastro-Kritiker Gert von Paczensky. Der bot ihm an, ihn beim Testen von 30 Sternerestaurants in Paris zu begleiten. Ein Angebot, das Wickert nur zu gerne annahm. Allerdings spricht er auch ganz abgeklärt davon, was ihm, dem Weitgereisten, in anderen Erdteilen vorgesetzt wurde: Qualle süß-sauer, Kaiman-Schwanz in Ingwersoße und Anakonda.
Er lernte alle Regierungschefs persönlich kennen
Natürlich beschränkt sich Ulrich Wickerts Blick auf die deutsch-französischen Beziehungen nicht auf Kulinarik. Seine jahrzehntelange journalistische Arbeit hat ihn zum Experten für die Politik beider Staaten gemacht. Er lernte alle Regierungschefs persönlich kennen: Brandt, Schmidt, Schröder, Kohl, Merkel, Scholz, Giscard d'Estaing, Mitterand, Sarkozy, Hollande und Macron. Es sei nicht einfach gewesen, mit Helmut Schmidt für ein schnelles Interview im Stehen auf Augenhöhe zu gelangen, erzählt der Journalist: Der Politiker war nicht eben groß, und Wickert mit seinen 1,96 Metern musste sich schließlich auf eine Sessellehne setzen, damit das Bild ausgewogen wirkte.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend und eine geruhsame Nacht.
Ulrich Wickerts Schlussformel, mit der er die Zuschauer der Tagesthemen in die Nacht entließ
Ulrich Wickert spricht gerne und sehr fundiert über Rechts- und Linksextremismus in Deutschland und Frankreich, über schwierige Regierungsbildungen in beiden Ländern, kann die Entwicklungen vergleichen und setzt sie mit kulturellen und historischen Eigenheiten beider Länder in Verbindung. Wenn man ihm dabei zuhört, blitzt die Erinnerung an seine Tagesthemen-Präsenz im deutschen Fernsehen auf, und fast erwartet man aus langjähriger Gewohnheit, dass er gleich die Worte sagen wird, die er wie ein Ritual zum Schluss immer anfügte: "Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend und eine geruhsame Nacht."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 31. August 2024, 18:05 Uhr