Die Morgenandacht Den Blick verändern

Esther Joas

Die Morgenandacht Den Blick verändern

Selbstbilder und Selbstzweifel von Jugendlichen erlebt Pastorin Esther Joas auf einer Konfirmandenfahrt. Und sie entdeckt zusammen mit einem Mädchen, wie man einen sehr kritischen Blick auf sich selbst in eine wohlwollende Perspektive verwandeln kann.

Bild: Radio Bremen

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Selbstbilder und Selbstzweifel von Jugendlichen erlebt Pastorin Esther Joas auf einer Konfirmandenfahrt. Und sie entdeckt zusammen mit einem Mädchen, wie man einen sehr kritischen Blick auf sich selbst in eine wohlwollende Perspektive verwandeln kann.

Ich bin in den Sommerferien mit gut siebzig Konfirmandinnen und Konfirmanden und weiteren Jugendlichen auf unserer jährlichen Konfirmandenfahrt gewesen. Wir haben dort über die großen menschlichen Gefühle gesprochen, die wir alle kennen und teilen und wie die Bibel diese Grundgefühle behandelt: Freude, Angst, Liebe, Wut, Trauer, Neid, Ekel.  

In der Mittagspause haben die Jugendlichen immer Gelegenheit zu Einzelgesprächen mit mir. So habe ich die Möglichkeit, sie einmal im Eins-zu-Eins kennenzulernen. Oft frage ich sie zum Einstieg, welches Tier sie gerne wären, wenn sie es sich aussuchen könnten. Die meisten wollen ein Adler sein oder ein Delphin. In Luft und Wasser stellen sie sich die größtmögliche Freiheit vor. Und nebenbei wollen sie auch lieber am Anfang der Nahrungskette stehen. Aber ein Mädchen kann sich nicht entscheiden zwischen Faultier und Koala. "Ein Faultier, weil ich gerne faulenze", sagte sie, "und ein Koala, weil Koalas dumm sind und ich auch." Es bedrückt mich, wie sie von sich denkt; zumal sie beim Kartenspielen jedes Mal gegen mich gewonnen hat und ich also daraus schließen müsste, noch dümmer zu sein.

Wir überlegen gemeinsam, was Koalas so alles können. Koalas sind kuschelig, und sie sind kräftige Kletterer. Sie ernähren sich ausschließlich von Eukalyptusblättern und schaden damit niemandem in der Natur. Außerdem haben sie ein hervorragendes Gehör. Am Ende stellen wir fest, dass es gar nicht schlecht ist, ein Koala zu sein. Und wenn man schon so fleißig war mit der aufwendigen Nahrungsaufnahme, dann darf man zwischendurch ruhig auch mal ein Faultier sein.

In der Seelsorge-Arbeit ist es unser Auftrag, gut zuzuhören und die Bedürfnisse der Aufsuchenden zu erkennen. Wir können als Zuhörende nicht die Bedingungen des Lebens verändern, aber wir können mit dem Gegenüber zusammen den Blick darauf wandeln. Denn wenn wir spüren, dass wir geliebt sind und voll der Würde, dann eröffnen sich manchmal neue Wege. Ich glaube, ein Strahlen auf dem Gesicht des Mädchens gesehen zu haben, als sie nach unserem Kurzgespräch wieder in der Menge verschwand. Und am Abend hat sie nochmal beim Kartenspielen gegen mich gewonnen. Ein kluges Koala-Kind.

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