Die Morgenandacht Fürchtet euch nicht
Standdatum: 27. Dezember 2024.
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Fürchtet euch nicht. Die zentrale Botschaft der Engel ist manchmal schwer zu glauben. Denn es gibt Grund genug, sich zu fürchten. Pastorin Ines Bauschke sucht paradoxe Wege zur Furchtlosigkeit.
"Fürchtet euch nicht!" Am Tag nach Weihnachten nehme ich mir in der Regel nichts vor. Ich versuche, die Weihnachtstage nachklingen zu lassen, erinnere mich an das, was war. Den Glanz der Weihnachtskerzen habe ich noch vor Augen, manches Lied im Ohr – und das "Fürchtet euch nicht" der Engel. Dieses "Fürchtet euch nicht" geht mir diesmal besonders nach. Vieles war ja zum Fürchten in diesem Jahr. Naturkatastrophen, auch hier in Europa, mit Überschwemmungen, Hitzewellen, schmelzenden Gletschern. Anscheinend bekommt keiner diese Klimakastrastrophe in den Griff. Dann der immer beklemmender werdende Krieg in der überfallenen Ukraine. Dazu der Ausgang der Wahlen in den USA. Hungerkatastrophen in vergessenen Ländern der Erde.
"Fürchtet euch nicht", haben die Engel zu Weihnachten gesungen. Gar nicht so leicht, sich nicht zu fürchten. Doch die Engel singen es so, sie machen mir Hoffnung mit ihrem Gesang. Und es gibt immer wieder unerwartete Wendungen im Lauf der Geschichte. Syriens brutaler Machthaber ist gestürzt, ein Aufatmen geht durch das geschundene Land. Geflüchtete aus Syrien haben auf den Straßen getanzt, auch hier in Deutschland. Sie haben die Befreiung von der Tyrannei gefeiert. Keiner hatte es erwartet, dass ein Dikator so schnell vertrieben werden konnte.
Ich fühle mit den befreiten Syrierinnen und Syrern, hoffe für sie auf eine friedliche Entwicklung in ihrem Land. Doch schon wieder müssen sie sich fürchten. Nur einen Tag nach der Befreiung vom syrischen Folterregime wurden hier in Deutschland Stimmen laut, sie forderten die baldige Abschiebung der Geflüchteten zurück nach Syrien. In ein Land, das zum Großteil aus Ruinen besteht, in völlig ungeordnete politische Verhältnisse, wo Hunger herrscht. So viel Gefühllosigkeit, so wenig Takt, so viel Rücksichtslosigkeit habe ich meinem Land ehrlich gesagt, nicht zugetraut. Ich schäme mich dafür. Ich denke an die freundlichen und kultivierten Syrier und Syrierinnen, die ich kennenlernen durfte, denke an orientalische Großzügigkeit und Gastfreundlichkeit. Da können sich in unserem Land so manche eine Scheibe abschneiden.
"Fürchtet euch nicht", das möchte ich denen zurufen, die nach Flucht, Angst und Not hier bei uns wieder Fuß gefasst, Halt gefunden haben. Es soll uns eine Ehre sein, gastfreundlich zu sein und hilfsbereit – und eine Freude, mit den Befreiten zu feiern. Was wir zu fürchten hätten, verblasst angesichts dessen, was diese Verfolgten durchmachen mussten. "Fürchtet euch nicht" – das ist ein Widerspruch zu vielen Erfahrungen des vergangenen Jahres, die wirklich zum Fürchten waren. Dagegen möchte ich, wenn auch manchmal verzagt und kleinmütig, dieses "Fürchte dich nicht" der Engel zu meinem Jahresmotto machen.
Wenn das schutzbedürftige und hilflose Kind in der Krippe ein Zeichen der Nähe Gottes zu uns ist, dann kann ich auch furchtloser alles unterstützen, was Geflüchteten ihre Furcht nimmt.