Die regionale Reportage Schiffswegweiser und Ausflugsziel: der Molenturm am Waller Sand
Standdatum: 24. Mai 2021.
Ein kleiner Leuchtturm, auf einer Mole in der Weser, im Bremer Stadtteil Walle. Er war etwas in Vergessenheit geraten – bis 2019 direkt in seiner Nähe ein neues Naherholungsgebiet entstand. Inzwischen hat sich der Molenturm zu einem beliebten Ausflugsziel entwickelt. Kerstin Burlage erzählt seine Geschichte.
Von Wasser umgeben, steht er da, der Molenturm. 12 Meter hoch, aus braunem Naturstein gebaut, mit einem kleinen Erker, einer Art Rundum-Balkon mit grün gestrichenem Geländer und einem Laternenhaus oben auf der Spitze.
Von dort werden jede Nacht grüne Lichtzeichen gegeben: Neun Seemeilen weit sichtbar, markieren sie die Einfahrt zum Bremer Überseehafen. Allerdings kommen nicht mehr so viele Schiffe vorbei wie zu der Zeit, als der Molenturm gebaut wurde. Damals, 1906, war hier ein ständiges Kommen und Gehen auf der Weser – und das musste gut koordiniert werden. Darum war auch immer jemand oben im Turm anwesend.
Molenfürsten wiesen den Weg
Frank Jürgen Sommerfeld vom Hafenamt Bremen erklärt, wie das aussah: Im oberen runden Raum, der zu allen Seiten kleine Fenster hat, kann man die Weser und die Einfahrt zum Hafen bestens überblicken. Hier saßen rund um die Uhr die sogenannten Molenwächter – von den Hafenarbeitern "Molenfürsten" genannt. Sie wiesen den einlaufenden Schiffen ihren Weg.
Dazu stellten sie sich draußen auf den Balkon und schrien ihre Informationen in ein Megafon: Liegeplatz, Schuppennummer, Kajenposition. Daran konnten sich die Seeleute orientieren – genauso wie an den beiden Leuchtfeuern, dem grünen oben auf dem Molenturm und dem roten auf der Werftinsel gegenüber. Zwischen den beiden Leuchtfeuern liegt die Hafeneinfahrt.
Kollision im Nebel
Wenn bei Nebel die Sicht schlecht war, mussten die Molenwächter alle 15 Minuten raus, um die mechanische Nebelglocke außen am Turm aufzuziehen. Zehn laute Schläge pro Minute tönten dann über das Wasser.
Im Jahr 1925 war das für einen englischen Kapitän aber anscheinend noch nicht laut genug. Statt zwischen den beiden Leuchtfeuern in den Hafen einzulaufen, rammte er bei Nebel mit voller Wucht den Molenturm. Der stand daraufhin so schief, dass man ihn auseinandernehmen und neu wiederaufbauen musste. Danach wachten im Turm noch bis 1962 die Molenfürsten. Dann wurden die Molendienste eingestellt, erzählt Frank Jürgen Sommerfeld, die Informationen für die Schiffe wurden per Funk gegeben.
Leuchtturm unter Denkmalschutz
Der Leuchtturm ist bis heute vollautomatisch in Betrieb. Mittlerweile steht er unter Denkmalschutz und wurde vor fünf Jahren von Grund auf saniert. Gehalten hat sich auch sein Spitzname "Mäuseturm", von dem keiner mehr so genau weiß, warum die Hafenarbeiter ihn so genannt haben. Vielleicht flitzten in dem Turm tatsächlich viele Mäuse herum. Vielleicht fand man ihn für einen Leuchtturm auch einfach ziemlich klein und niedlich. Das finden anscheinend auch viele, die an sonnigen Tagen mit dem Rad oder zu Fuß herkommen: Der Molenturm ist inzwischen ein beliebtes maritimes Ausflugsziel mitten in Bremen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 24. Mai 2021, 10:40h.