Die regionale Reportage Braker Familie erhält in Auschwitz geraubtes Armband zurück
Standdatum: 2. August 2022.
Mehr als eine Million Menschen sind im Konzentrationslager Auschwitz von den Nationalsozialisten ermordet worden. Viele Juden, aber auch Sinti und Roma. Auch Johann Franz und seine Familie wurden deportiert. Seine Nachfahren leben in Brake – und der 1. August war für sie ein ganz besonderer Tag: Lange nach dem Tod ihres Urgroßvaters und Großvaters hat die Familie ein Armband zurückbekommen, das die Nationalsozialisten Johann Franz damals raubten.
Joachim, Thomas und Yvonne Franz haben ungewöhnlichen Besuch in Brake. Charlotte Großmann aus dem hessischen Bad Arolsen ist da. Sie kommt vom weltweit größten Archiv über die Opfer und Überlebenden des Nationalsozialismus, den "Arolsen Archives". Die Organisation bewahrt persönliche Gegenstände von in Konzentrationslager verschleppten Menschen auf. Mit Freiwilligen suchen sie nach den Familien der Opfer, um die gestohlenen Erinnerungsstücke zurückzugeben. Wie jetzt in Brake: Charlotte Großmann hat eine Schachtel dabei, darin liegt ein Armband. "Das ist das Armband, das Johann bei seiner Inhaftierung in Auschwitz bei sich getragen hat", sagt sie.
Ein bewegender Moment
Joachim Franz hält zum ersten Mal in den Händen, was seinem Großvater Johann die Nazis 1941 bei der Verhaftung weggenommen hatten. Ein komisches Gefühl sei das, "das war ja schließlich mein Opa. Und auf einmal hast du von deinem Opa so ein Armband in der Hand."
Die gesamte Familie von Johann Franz war in Auschwitz: er, seine Frau und die neun Kinder. Sie wurden deportiert, weil sie Sinti und Roma waren. Überlebt haben nur Johann, die Tochter Frieda und Sohn Oskar. Der lebte bis 2016 in Brake. Sein Vater Oskar habe nie viel über die Zeit im Konzentrationslager erzählt, sagt Joachim Franz. "Das wollte er seinen Kindern nicht antun, dass er da in Gefangenschaft war. Das wollte er nicht erzählen."
Der hat einige Kisten mitgenommen in seinen Heimatort in Lunden in Schleswig-Holstein und hat die Gegenstände dort auf der Kegelbahn einer Gaststätte aufbewahrt.
Charlotte Großmann (Arolsen Archives) über den Umgang der Nazis mit Raubgut
Zum Schicksal von Johann Franz und dessen Armband hat die Familie viele Fragen. Zum Beispiel: Woher weiß man, dass das Armband wirklich Johan gehört hat? Das sei bei den Gegenständen, die in Arolsen aufbewahrt werden, eindeutig, erklärt Charlotte Großmann. Denn die sind noch in den Originalumschlägen – mit Namen und Häftlingsnummer.
Die Nationalsozialisten in ihrer perfiden Bürokratie schickten den Umschlag sogar hinterher, als Johann Franz – wahrscheinlich im Jahr 1943 – in das Konzentrationslager Neuengamme in Hamburg verlegt wurde. Gefunden wurde das Armband nach Kriegsende aber in Schleswig-Holstein, erzählt Charlotte Großmann von den "Arolsen Archives". Das Lager Neuengamme wurde in den letzten Kriegstagen aufgelöst und der Lagerverwalter forderte einen Unterscharführer auf, diese Gegenstände wegzuschaffen. "Und der hat einige Kisten mitgenommen in seinen Heimatort in Lunden in Schleswig-Holstein und hat die Gegenstände dort auf der Kegelbahn einer Gaststätte aufbewahrt."
Wenn das Armband sprechen könnte
Yvonne Franz ist, als sie das Armband in der Hand hält, sichtlich gerührt: "Ich habe gestern zu meinem Mann gesagt: 'Wenn dieses Armband sprechen könnte.' Das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen, diese Wege!" Die Familie sagt dann noch: Sie müsse das alles erst einmal sacken lassen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 2. August 2022, 9:40 h