Die regionale Reportage Warum das "Horner Eck" im Bremer Viertel jetzt eine Kunst-Kneipe ist
Standdatum: 11. Oktober 2022.
Das "Horner Eck" hat drei sogenannte Kunstresidenz-Stipendien vergeben. Nun erstellen Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt Kunst für die Kultkneipe im Bremer Viertel.
Das "Horner Eck" wird seit 2018 von einem Kollektiv geführt. Damals sollte die Kultkneipe schließen – nach 35 Jahren. Zu dieser Zeit wohnen darüber junge Menschen in einer WG, die das nicht zulassen wollen. Also haben sie sich kurzerhand mit Freunden zusammengetan und das Lokal übernommen. Seit 2019 gibt es auch eine Kneipen-Genossenschaft – die hat inzwischen 56 Mitglieder.
Die Kneipe als Ort für Inspiration
Dieses Kollektiv hat vor ein paar Monaten drei Stipendien für Kunstresidenzen ausgeschrieben. Das heißt: Künstlerinnen und Künstler leben in einer Wohnung mit Atelier und arbeiten an der Kunst in der Kneipe, die nur 100 Meter entfernt ist. Sie bekommen ein monatliches Honorar von 1.500 Euro sowie 800 Euro für Material – und am Ende des Monats dürfen sie dann in besagter Kneipe ausstellen. Beworben haben sich 156 Menschen aus aller Welt. Elisabeth Kraus aus Leipzig hat eines der Stipendien bekommen. Ihre Kunst hängt nun zuerst in der Kneipe.
Der Stuhl ist für die Künstlerin das zentrale Element ihrer Arbeit. Sie hat die Stühle in der Kneipe mit Latex überzogen, trocknen lassen und es dann wie eine zweite Haut abgezogen. So will sie die Momente des Sitzens in einer Kneipe archivieren – wie in einer Art Zeitkapsel. Das bedeutet aber auch, dass die Stühle, auf denen die Gäste sitzen, Teil des Schaffensprozesses der Künstlerin sind. Und das ist auch die Idee der Leipzigerin: Die Zeit in Bremen und die Kneipe als Inspiration zu nutzen.
Bei Kneipe denken viele Leute erstmal: 'Da gehe ich hin, da saufe ich, da treffe ich mich und das war's.' Für uns ist die Kneipe aber viel mehr, auch ein Wohnzimmer.
Elard Lukaczik, Vorstand der Genossenschaft
So wird eine Kneipe nicht nur zu einem Ort, an dem Kunst hängt, sondern auch zu einem Ort, an dem Kunst entsteht. Eine Kneipe nicht nur als Ort des Trinkens zu sehen, ist Elard Lukaczik, dem Vorstand der Genossenschaft, sehr wichtig: "Ja, bei Kneipe denken viele Leute erstmal: da gehe ich hin, da saufe ich, da treffe ich mich und das wars. Für uns ist die Kneipe aber viel mehr auch ein Wohnzimmer – ein Wohnzimmer, in dem Konzerte stattfinden, welches ein Veranstaltungsort ist, ein Ort zum Diskutieren und auch um neue Ideen anzustoßen."
Niedrigschwellige Kunst
Mit der Kunst in der Kneipe sollen neue Ideen angestoßen werden. Und zwar auf eine andere Art, als es vielleicht in einem Museum der Fall wäre. Denn: In eine Kneipe geht man nicht primär, um Kunst zu konsumieren.
"Kunst anzuschauen ist oft ein Privileg – vor allem ein Privileg von Zeit. Ich entscheide mich, in meiner Freizeit nicht einfach nur zu entspannen (...), oder in einer Kneipe ein Bier zu trinken, sondern ich entscheide mich dazu, ins Museum zu gehen und mir diesen ganzen Input auch noch zu geben. Und hier ist es so: Ich kann mich entscheiden, einfach nicht hinzuschauen und mein Bier zu trinken. Oder auch mal nur einen kleinen Blick an die Wand zu werfen und das mitzunehmen, was ich mitnehmen will. Ich glaube, es ist deutlich niedrigschwelliger", erklärt Elard Lukaczik.
Die Kunst von Elisabeth Kraus kann man sich noch bis zum 20. Oktober im "Horner Eck" anschauen. Abgelöst wird sie von Emmanuel Koto Kongobi aus dem Kongo und Leevi Toija sowie Jonne Väisänen aus Helsinki und Prag.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 11. Oktober 2022, 13:10 Uhr