Die regionale Reportage "Das Friedrich" in Bremerhaven: ein Haus mit wechselvoller Geschichte
Standdatum: 1. August 2022.
In der Bremerhavener Friedrich-Ebert-Straße steht ein denkmalgeschütztes Haus, das dunkle Zeiten erlebt hat. Jetzt wird es zu einem Studierendenwohnheim umgebaut.
Wer die Bremerhavener Elbestraße Richtung Norden entlangfährt und an der Kreuzung Elbestraße/Friedrich-Ebert-Straße anhalten muss, steht dort nicht nur an einer Ampel, sondern vor einem Stück Bremerhavener Stadtgeschichte – einem imposanten Haus aus dunkelbraunen Ziegeln. Im Erdgeschoss ist heute eine Tanzschule untergebracht. Jahrzehntelang war es die Parteizentrale der Bremerhavener SPD und Gewerkschaftshaus. Gebaut wurde es 1930 als Verlagshaus für die "Norddeutsche Volksstimme", eine auflagenstarke SPD-nahe Zeitung, erzählt Julia Kahleyß, Leiterin des Bremerhavener Stadtarchivs.
Auf der anderen Straßenseite stand damals wie heute das protzige Haus der Industrie- und Handelskammer im Stil des Historismus mit Jugendstilelementen. Der Ziegelbau der "Volksstimme" sollte sich davon abheben, erklärt Olaf Mahnken vom Bremerhavener Denkmalschutz: "Das wollte man in den 1920er-Jahren ganz explizit herausheben, dass man sich absetzt von diesen alten Bauten." Die Fassade des ehemaligen Zeitungshauses wird durch die Fensterreihen gegliedert: klare Linien statt Giebel oder Erker. Zur Elbestraße hin betonen senkrecht verlaufende Ziegelbänder die tiefen Fenster im Erdgeschoss; im ersten Stock lag früher die Druckerei.
Dunkles Kapitel
Neben der "Norddeutschen Volksstimme" waren in dem Haus auch Gewerkschaften untergebracht. Allerdings nur kurze Zeit, denn nach Hitlers Machtübernahme zog die Gestapo ein, die geheime Staatspolizei des NS-Regimes. Kein Zufall, dass sie sich ausgerechnet dieses Haus ausgesucht hatten, sagt Julia Kahleyß: "Da dieses Gebäude so SPD-nah war, hat man die Gestapo hier reingesetzt. Das war eine Aussage. Eine sehr, sehr kräftige Aussage." Im Keller des Hauses folterte die Gestapo Gefangene, unter anderem Gerhard van Heukelum, Redakteur der "Norddeutschen Volksstimme" und nach dem Krieg Bremerhavener Politiker und bremischer Senator.
Wir können an der Geschichte nichts verändern, aber wir können die Zukunft verändern und das hier besser machen.
Jessica Raduschewski
Derzeit baut eine Immobilienfirma das Haus zu einem Wohnhaus für Studierende um. Jessica Raduschewski von der Immobilienfirma wünscht sich, dass das Haus in Zukunft nicht nur mit der NS-Zeit in Verbindung gebracht wird. Sie freue sich darauf, dass die Studierenden neues Leben ins alte Haus bringen, sagt sie – damit die Geschichte weitergeht: "Wir können an der Geschichte nichts verändern, aber wir können die Zukunft verändern und das hier besser machen." Der Name für das Haus steht auch schon fest: "Das Friedrich" wird es heißen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 1. August 2022, 10:38 Uhr