Die regionale Reportage Wohin mit "Amanda"? Elsfleths letzte Mangelstube schließt
Standdatum: 16. Dezember 2021.
Das Ehepaar Mende betreibt seit über 20 Jahren die einzige Mangelstube in Elsfleth, im Landkreis Wesermarsch. Aber seitdem es Spannbettlaken gibt und ordentlich straffe Tischdecken aus der Mode gekommen sind, verschwinden die letzten Heißmangeln nach und nach. So auch die Heißmangel Mende – unsere Reporterin Kristin Hunfeld hat sie an ihrem letzten Arbeitstag besucht.
Es ist kalt in der heizungslosen Fachwerkscheune an der Elsflether Henriettenstraße, aber das wird sich ändern, wenn Günther Mende seine Amanda einschaltet. So nennt er die zwei Meter breite Bügelmaschine, die mitten im Raum steht. Baujahr 1953 ist das gute Stück. Gestell und Motorgehäuse sind aus weißlackiertem Eisen. Über ein abgerundetes Blech werden die Wäschestücke eingezogen, die Stahlrolle, unter der sie dann hindurchlaufen, ist mit Spezialstoff bezogen. "Sie ist dreimal mit unbrennbaren Materialien bewickelt", erkärt das Ehepaar Mende. "Diese Maschine wird heiß, das sind extra Stoffe. Die Rolle zieht zum Beispiel eine Tischdecke durch."
Die Heißmangel als Hobby nach der Rente
Es ist ruhig geworden in der Heißmangel von Günther und Inge Mende. "Die Leute haben jetzt Tischdecken aus Kunststoff oder sowas. Oder die jungen Mädels, die haben gar keine Tischdecken. Unser Vorgänger, der kam da nicht gegen an, der hat von frühmorgens bis abends um acht Uhr gemangelt."
Vor 23 Jahren haben Günther und Inge Mende die Mangel übernommen, als Hobby, nach der Rente. Leben kann man heutzutage von so einer Heißmangel nicht mehr. "Für eine Tischdecke haben wir einen Euro genommen, für die ganz großen zwei Euro (...). Es kamen auch alte Leute, die ihre Paradekissen mit Stärke eingesprüht haben. Und wehe, wenn wir das nicht richtig grade gemacht haben, so dass die standen. Dann kam Oma hier an: 'Günther, du musst das nochmal machen!'", erzählt Günther Mende.
Mehr als nur eine Mangelstube
Man kennt sich in Elsfleth, sagt der 82-jährige Günther Mende. Er ist hier geboren und aufgewachsen. In jungen Jahren fuhr er zur See und arbeitete danach lange bei der Bundesbahn. Die Heißmangel war immer auch ein kommunikativer Ort, vor allem für die ältere Generation, die gern kam: "Für alle, die nicht richtig laufen können, gibt es einen Stuhl. Das war richtig familiär. Das wird einem fehlen nachher. Jetzt sind sogar ältere Leute mit Tränen in den Augen hier rausgegangen, weil wir aufhören. Ist komisch, ne?", erzählt das Ehepaar.
Dann kommt doch noch ein Kunde. Ein junger Mann bringt Tischdecken und Läufer im Auftrag seiner Schwiegermutter. Die ist Stammkundin in der Heißmangel. "Wenn die aufhören, muss sie das selber bügeln – oder ich. Meine Schwiegermutter wird traurig sein. Aber die sollten sich die Rente mal gönnen", sagt er.
Wer kennt einen Ort, an dem Bügelmaschine "Amanda" in den Ruhestand gehen kann?
Einen Wunsch hat Günther Mende noch: Seine Amanda, die historische Bügelmaschine, die ihn all die Jahre nie im Stich gelassen hat, hätte er gern ins Museum gegeben. Aber dort ist kein Platz. "Vielleicht weiß einer von den Hörerinnen und Hörern, ob ich die Maschine woanders hingeben kann, bevor die in den Schrott kommt. Das ist meine Amanda, die hab ich immer gut gepflegt. Ich möchte, dass die auch gut irgendwo hinkommt."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 15. Dezember 2021, 15:25 Uhr