Die regionale Reportage Der lange Streit um den Namen der Universität Oldenburg
Standdatum: 4. Februar 2022.
Vor rund 50 Jahren wurde in Oldenburg eine Universität gegründet. Als angebliche "linke Kaderschmiede" wurde sie von Anfang an argwöhnisch beobachtet. Und dann wollte sich die neue Institution auch noch nach Carl von Ossietzky benennen! Doch die niedersächsische Landesregierung ließ das nicht zu. 20 Jahre sollte es dauern, bis die Uni Oldenburg ihren selbst gewählten Namen doch durchsetzen konnte.
Eins der Gebäude, die damals für die neue Universität gebaut wurden, ist an der Stirnseite von einem markanten blauen Metall-Turm gekrönt, mit der weißen Aufschrift: Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Darunter prangt eine weiße Friedenstaube. Wer könnte etwas dagegen haben? "Zeitweise eine Menge Leute", sagt Hans-Henning Adler, Ratsherr der Linken in Oldenburg. Anfang der 1970er-Jahre war er studentisches Mitglied im Uni-Gründungsausschuss, und von ihm kam damals der Namensvorschlag, auf den sich innerhalb der Uni schnell alle Gremien einigten.
Die damalige Landesregierung assoziierte wohl damit, dass das ein Vorschlag aus der linken Ecke war und deswegen nicht richtig sein konnte.
Hans-Henning Adler, von ihm kam der Namensvorschlag
Für die Landesregierung in Hannover – damals eine SPD-FDP-Koalition – war der Name allerdings ein rotes Tuch. Carl von Ossietzky war zwar Demokrat, Widerständler, Nazi-Opfer, KZ-Insasse und Friedensnobelpreisträger, aber irgendwie eben auch "links". Hans-Henning Adler erinnert sich: "Die damalige Landesregierung assoziierte wohl damit, dass das ein Vorschlag aus der linken Ecke war und deswegen nicht richtig sein konnte. Ich war damals auch Mitglied der DKP."
Meinungsumfrage in der Lokalzeitung
Die offizielle Begründung klang allerdings ganz anders, sagt die Oldenburger Geschichtsprofessorin Gunilla Budde: "Das kam von Seiten der SPD: 'Das ist nicht mehr zeitgemäß, sich so einen Heros zu suchen, den man als Namenspaten nimmt'." Dass der Namensvorschlag wenig mit dem Uni-Standort zu tun hatte, war ein weiteres Gegenargument. "Ossietzky hatte, außer dass er einige Kilometer vor Ort im KZ gesessen hat, keine direkte Beziehung zu Oldenburg gehabt. Wenn es Karl Jaspers gewesen wäre, hätte man wenigstens sagen können, der ist ein Sohn der Stadt."
Der Philosoph Jaspers wurde in Oldenburg geboren und war auf einer Liste möglicher Namensgeber, die als Meinungsumfrage in der Lokalzeitung stand. Da standen aber auch noch ganz andere, erinnert sich Hans-Henning Adler: "Unter anderem 'Graf-Anton-Günther-Universität', also ein völlig absurder Vorschlag, nach einem absolutistischen Herrscher eine Universität zu benennen."
Studierende entschieden eigenmächtig
Graf Anton Günther wurde nicht der Namensgeber, und auch Karl Jaspers nicht. Der Name Carl von Ossietzky war allerdings in der Zeitungsumfrage ebenfalls chancenlos: Kaum jemand wusste, wer das war. Und die Landesregierung beharrte auf "Universität Oldenburg". Aber die Studierenden schafften vollendete Tatsachen: Im Herbst 1974 stiegen einige auf ein Sims unterhalb des blauen Turms und brachten dort hoch oben in weißen Lettern den Namen des Friedensnobelpreisträgers an.
Angesichts dieser Eigenmächtigkeit brach ein Sturm der Entrüstung los, in Oldenburg und in Niedersachsen. Wissenschaftsminister Joist Grolle, SPD, ließ den Namenszug entfernen, unter dem Schutz von 200 Polizisten mit Helmen und Schlagstöcken. "Das ist eigentlich nur eine peinliche Geschichte für den damaligen Wissenschaftsminister Grolle. Das hätte ihm klar sein müssen, dass das dann natürlich auch international bekannt wird, und dann alle von außen auf die deutschen Sozialdemokraten gucken und sagen 'Was macht ihr denn da?'", so Hans-Henning Adler.
Und dann war die Aktion auch noch ganz und gar vergeblich. Wenige Tage später brachten die Studierenden den Namen wieder an, diesmal mit stabilen, wetterfesten Buchstaben. Die blieben tatsächlich lange kleben. Unterdessen besannen sich die Oldenburger darauf, wer da eigentlich geehrt werden sollte: "Es gab dann die Carl-von-Ossietzky-Buchhandlung, es gab eine Carl-von-Ossietzky-Straße, es gab ein Carl-von-Ossietzky-Denkmal", erinnert sich Adler. Ossietzky-Tage und ein Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik kamen hinzu. Und Ossietzkys Tochter vermachte der Uni den Nachlass ihres Vaters.
Namensstreit erst spät beigelegt
Der Namensstreit wurde aber erst in den 1990er-Jahren endgültig beigelegt: Eine neue rot-grüne Landesregierung unter Gerhard Schröder verfügte, dass die Universität selbst entscheiden durfte. Professorin Gunilla Budde hat all diese Geschehnisse seitdem mit vielen studentischen Jahrgängen aufgearbeitet. Es gibt sogar Bachelor-Arbeiten, die sich mit dem Namensstreit beschäftigt haben. "Für die Studierenden war das einfach hoch exotisch, dass man sich wegen so eines Namens über Jahre, Jahrzehnte, über die Parteien hinweg, diesen Streit geliefert hat", sagt die Wissenschaftlerin.
Name, Logo und Friedenstaube leuchten heute jedenfalls in weiß von dem blauen Turm herunter – und seit rund 30 Jahren dürfen sie das, ganz offiziell.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 7. Februar 2022, 10:40 Uhr.