Die regionale Reportage Warum die Sielwallfähre eine Bremer Institution ist
Standdatum: 1. März 2022.
Ein sicheres Zeichen für Frühlingsanfang in Bremen ist die Sielwallfähre: Ab März nimmt sie ihren täglichen Betrieb auf und pendelt zwischen Osterdeich und Stadtwerder.
Diedrich Schoon-Marques dreht das große Steuerrad der Weserfähre "Ostertor" mehrfach im Kreis, sein Blick ist konzentriert aus dem Fenster des Passagierschiffs gerichtet. Der Motor wird etwas leiser, ein metallisches Krachen ist zu hören, als die schmale Metall-Gangway auf der Betonrampe aufsetzt. Das Schiff hat am Osterdeich angelegt. "Wir haben keine Uhrzeit, keinen Rhythmus, wir fahren immer hin und her. Ich habe noch nie gezählt, wie oft ich am Tage hier hin und her fahre", erzählt Schoon-Marques.
Ein Symbol für Freizeit
Seit 2017 steuert Diedrich Schoon-Marques die Sielwallfähre. Schon seit 1736 gibt es an dieser Stelle einen Fährmann, der die Menschen vom heutigen Bremer Viertel auf die andere Weserseite zum Stadtwerder bringt. Und noch heute wird sie gebraucht, sagt Harro Koebnick. Er ist der Chef der Fahrgast-Schifffahrtsgesellschaft Halöver, die die Sielwallfähre heute betreibt. "Sielwallfähre verbindet man in erster Linie mit Freizeit. Es ist natürlich auch ein Teil des öffentlichen Nahverkehrs, das heißt, es gibt auch Pendler, die die Fähre benutzen."
500.000 Menschen bringen Diedrich Schoon-Marques und seine Kollegen jedes Jahr über den Fluss. Wenn sie in der Sommersaison täglich ab 7 Uhr morgens unterwegs sind, sehen sie viele bekannte Gesichter. "Die Arbeit macht mir Spaß, hier mit den Leuten. Wir haben ja viele Fahrgäste, die jeden Tag fahren, die Parzellisten, die jeden Tag rüberfahren. Die Verbindung zu den Menschen, das ist das."
180-Grad-Drehung
Sobald alle an Bord sind, legt der Fährmann wieder ab. Er fährt rückwärts auf den Fluss hinaus, um dann wieder mit der Gangway zuerst auf die andere Weserseite zuzusteuern. Dieses Manöver macht der besondere Antrieb der "Ostertor" möglich: "Rückwärtsfahren, da muss ich den Propeller jetzt um 180 Grad drehen, dass der Propeller zur Fähre hin steht. Und wenn ich Gas gebe, wird das Schraubenwasser unter die Fähre gedrückt und die Fähre fährt rückwärts. Ich steuere dadurch, dass ich den Propeller im Kreis drehe."
Wenn er will, kann er das Schiff auch mehrfach im Kreis drehen – Karussell fahren nennen das die Bremer. Für manchen gehört es auch noch zur guten Tradition, den Fährmann mit einem plattdeutschen Spruch ans Ufer zu rufen: "Hal över", was so viel wie "Hol über" heißt.
Ohne Fähre? Ohne uns!
Im 18. Jahrhundert setzten die Leute noch mit einem Ruderboot über. Erst 1911 war das erste Motorschiff an dieser Stelle unterwegs. Als im ersten Nachkriegswinter 1946 die Weser zufror und der Eisgang die Behelfsbrücke zerstörte, war sie die letzte Verbindung zum anderen Ufer. In den 1980er-Jahren sollte die Fähre eingestellt werden, aber die Bremerinnen und Bremer wehrten sich. Sie gründeten einen Verein und übernahmen auch die 1972 gebaute "Ostertor". Ein Wendepunkt für den Fährbetrieb, sagt Harro Koebnick: "Das hat funktioniert, am 1. April 1984 war wohl der erste Betriebstag dann als Verein und das konnten dann mit den Jahren immer mehr Fahrgäste dort gewonnen werden, also die Fahrgastzahlen stiegen kontinuierlich."
Und dieser Erfolg hält bis heute an, sagt Fährmann Diedrich Schoon-Marques. "Die Fähre gehört zu den Leuten. Die wollen die Fähre haben. Wenn wir Winterpause machen von Oktober bis März, das ist für die Leute das schlimmste, was es gibt. Die Fähre gehört einfach zu Bremen, deswegen kommen die her. Es ist unverständlich, aber es ist so. Es ist sagenhaft, wie die Fähre genutzt wird."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 1. März 2022, 15:40 Uhr