Die Morgenandacht Koffer auspacken

Ragna Miller

Die Morgenandacht Koffer auspacken

Pastorin Ragna Miller liebt es Koffer auszupacken. Sie vor dem Urlaub zu packen, ist ihr ein Graus. Der Stress, dass im Urlaub alles wunderbar werden muss, will nämlich auch in den Koffer.

Bild: Bremische Evangelische Kirche

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Pastorin Ragna Miller liebt es Koffer auszupacken. Sie vor dem Urlaub zu packen, ist ihr ein Graus. Der Stress, dass im Urlaub alles wunderbar werden muss, will nämlich auch in den Koffer.

Ich packe total gerne Koffer und Taschen aus. Nach dem Urlaub, direkt nach dem Zurückkommen mache ich mich sofort daran, sämtliches Reisegepäck, Klappkisten und Proviantkörbe auszuleeren und die Dinge wieder am richtigen Ort zu verstauen. Ich liebe das Geräusch der Waschmaschine, die sich an ihre Aufgabe macht.
Ich scheuche alle Familienmitglieder durch die Wohnung, damit auch sie, sämtliche Muscheln, Steine, Urlaubsandenken zum zukünftigen Platz bringen.

Manchmal betrachte ich mich von außen, während ich mit der größten Befriedigung die Reisetaschen dann auf dem Dachboden verstaue. "Geschafft!", höre ich mich sagen. Als wäre der Urlaub eine Aufgabe, die zu erledigen ist. Haken hinter. Fertig. Geschafft. Und dann befürchte ich, ich finde den Urlaub in der Erinnerung besser, als wenn er vor mir liegt.
Wieso ist das so?

Beim Kofferauspacken, weiß ich, was mich erwartet. Sand im Kinderzimmer 1, sortierte Wäscheberge im Flur, der neue Schwimmkraken macht Schwierigkeiten beim Lagern. Alles ziemlich herrlich. Wie gerne würde ich mit der gleichen Begeisterung einpacken. Aber das fühlt sich anders an.

Ich bin genervt, dass wir alle so viel Kram und Bücher und meines Erachtens unnötiges Equipment einpacken. Ich selber packe allerdings meine Wärmflasche ein, ein viertes Paar Wollsocken, drei noch nicht gelesene Wochenzeitschriften, die Kaffee-Drück-Kanne und unglaubliche Mengen anderes Zeug.
Ich packe und packe und packe und habe dennoch das Gefühl, alles Entscheidende zu vergessen.
Größer und schwerer werden Taschen und Körbe.

Und nun kann ich es sehen. Neben den Röcken, der Zahnbürste und dem Badeanzug lümmelt sich eine übergroße Erwartung. Sie grinst hämisch und fragt in Endlosschleife:
"Ob das was wird? Ob das was wird?"

In der Ecke meiner Reisetasche drückt sich ein grünlich-schleimiges Schuldgefühl herum. Es kreischt in unregelmäßigen Abständen, ob ich auch daran gedacht habe, dass die Kinder vielleicht gar nicht an die Ostsee wollen.

Über den noch nicht eingepackten Büchern, die neben dem Sportzeug und den Mini-Hanteln liegen, flankt ein gut gelaunter überhöhter Anspruch an mich selber herum. Ruft: "LESEN UND SPORT UND ERHOLUNG – UND DAS ALLES IN 14 TAGEN!"
Man kann hören, dass seine Worte fettgedruckt und in Großbuchstaben stehen.

Das alles gilt es also einzupacken. Über den Urlaub zu verteilen. Zusammen mit der Vorfreude, die natürlich auch herumspringt und gesehen werden will. Sie ist bei mir allerdings etwas schüchtern, schweigsam und kleidet sich in frischen Beige- und Grautönen. Da übersehe ich sie manchmal.

Dieses Jahr habe ich mir vorgenommen sowohl die übergroße Erwartung, als auch den überhöhten Anspruch an mich selber nicht an mein Gepäck zu lassen.
Ich habe gute Hoffnung, dass das Einpacken dadurch schöner werden wird!

Autor/Autorin

  • Pastorin Ragna Miller

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