Die Morgenandacht Nicht genug?!

Fabienne Torst
Fabienne Torst

Die Morgenandacht Nicht genug?!

Gott sieht in uns Menschen das Positive, ist Jugendreferentin Fabienne Torst überzeugt. Und sie stellt sich vor, dass er sie liebevoll anlächelt.

Bild: Katholischer Gemeindeverband Bremen

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Gott sieht in uns Menschen das Positive, ist Jugendreferentin Fabienne Torst überzeugt. Und sie stellt sich vor, dass er sie liebevoll anlächelt.

"Was sehen Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?" Als der Psychologe in der Reha mir diese Frage stellte, fühlte ich mich heillos überfordert. Allerlei negative Gedanken schossen mir durch den Kopf. Die Liste dessen, was ich nicht an mir leiden konnte, schien endlos. Als ich anfing, diese Dinge vor ihm auszubreiten, stoppte er mich irgendwann. Er schien bestürzt. Er konnte offensichtlich nicht glauben, dass ich so viel Schlechtes an mir fand. Ich sollte mich weiter betrachten und erst wieder reden, wenn ich etwas Positives fände. Doch ich blieb stumm. Für eine lange Zeit. Ich sah mich an und betrachtete jeden Zentimeter. Jeden Winkel meines Körpers, meines Gesichts. Ich hatte einen Kloß im Hals und es fiel mir schwer, den Blick in meine eigenen Augen auszuhalten. Irgendwann kamen die Tränen. Der Psychologe trat neben mich, legte mir leicht eine Hand auf die Schulter und fragte erneut, was ich sehen würde.

In diesem Moment in der Reha sah ich in dem Spiegel vor mir eine Frau, die das Gefühl hatte, nicht genug zu sein. Nicht schön genug. Nicht schlau genug. Nicht gut genug, um geliebt zu werden. Wenn ich mich anblickte, konnte ich nur meine vermeintlichen Fehler sehen. Nicht aber meine Stärken. Ich fühlte mich, als hätte ich vergessen, wer ich bin. Oder wer ich sein könnte. Es ist mir schon immer schwer gefallen, mich selbst zu akzeptieren. Aber in diesem Moment, war da nichts, wofür ich mich hätte selbst lieben können. Selten habe ich mich so verloren gefühlt. Und doch, mit jeder Träne, die ich vergoss, mit jedem Schluchzer, der sich den Weg meine Kehle hinauf bahnte, hatte ich auch das Gefühl loszulassen. Als würde all das Schlechte, all das Negative aus mir herausgeschwemmt.

Im Nachgang zu der Sitzung ging ich in den nahegelegenen Wald. Ich brauchte einfach einen Moment, um mich zu sammeln und zu Atem zu kommen. Auf dem Waldweg kam ich an einem riesigen Steinkreuz vorbei und blieb davor stehen. Ich betrachtete es und merkte, wie ich dabei immer ruhiger und friedlicher wurde. Irgendwann ploppte ein Gedanke in meinem Kopf auf – und ich fragte mich, was Gott auf die Frage, die mir gestellt wurde, geantwortet hätte. Was hätte er gesehen?
Ich denke, er sieht eine Frau, die sich wirklich Mühe gibt. Die sich anstrengt, das Richtige zu tun. Die versucht ihren Platz im Leben zu finden und stark zu sein. Eine Frau, die Fehler macht. Die stolpert und fällt und versucht wieder aufzustehen. Weiterzugehen. Ich denke, er sieht eine Frau, die versucht nach seinem Vorbild zu leben. Die sich selbst viel zu oft zurücknimmt, damit andere ihren Raum einnehmen können. Und ich denke, dass er mir sagen würde, es sei nun an der Zeit, an mich selbst zu denken. Dass ich, ganz im Gegenteil zu ihm, nicht die Welt retten müsse.

Manchmal stelle ich mir vor, dass Gott mich anlächelt. Ganz liebevoll. Und sagt: "Entspann dich. Denn für mich bist du schon lange genug."

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  • Fabienne Torst

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