Die Morgenandacht Die Sonne

Lasst die Sonne nicht untergehen über eurem Zorn. Ein Satz aus der Bibel, den sich früher schon viele Menschen zum Lebensprinzip gemacht haben. Aus ziemlich gutem Grund.

Die Sonne. Da ist sie wieder. Hinter den Wolken hervorgekommen, knapp über dem Horizont. Und ich kneife intuitiv die Augen zu, damit sie mich nicht blendet. Dass die Sonne im Winter auch immer so tief stehen muss! Erst am späten Morgen wagt sie sich hinter den Dächern der Stadt hervor – und viel zu früh schickt sie im Abendrot einen letzten Gruß. So tief steht die Sonne manchmal, dass es scheint, als traute sie sich nicht so recht aus der Deckung. Als wollte sie bereit sein, sich jeden Moment wieder hinter den schützenden Horizont verkriechen zu können.

Und so laufe ich der Sonne entgegen, die da hinten schon wieder untergehen will. Denke daran, was heute gewesen ist, an diesem viel zu kurzen Wintertag. Was mich gefreut, was mich geärgert hat. Und da kommt mir ein Satz in den Sinn. Lasst die Sonne nicht untergehen über eurem Zorn. Paulus ist es, der das geschrieben hat. Und ich muss an meine Familie denken. Wie es mich als Kind genervt hat, dass wir nach einem Streit immer noch einmal vor dem Schlafengehen geredet haben. Damit wir eine Gelegenheit hatten, uns zu versöhnen.

Manchmal wollte ich auch eigentlich nicht. Manchmal wäre ich gern zornig ins Bett gegangen. Und doch – wenn ich nun so daran denke, scheint es mir nicht so falsch gewesen zu sein. Wir wissen, dass morgen die Sonne wieder aufgeht. Ob wir einander wiedersehen, das wissen wir nie. Jedes Auseinandergehen im Groll kann das letzte gewesen sein.

Lasst die Sonne nicht untergehen über eurem Zorn – versuchen wir es doch einmal. Damit der Ärger uns nicht blendet und das Licht der Versöhnung uns erfüllt.