In der Ausstellung Junge Kunst trifft auf alte Meisterwerke in der Kunsthalle
Resonanz. Interventionen in die Sammlung
Standdatum: 18. Juli 2023.
Vor 200 Jahren wollte eine kleine Gruppe kunstsinniger Bremer Bürger etwas dafür tun "den Sinn für das Schöne zu verbreiten und auszubilden". Sie gründeten den Bremer Kunstverein. Heute, mit mehr als 10.000 Mitgliedern, einer der größten seiner Art in Deutschland und Betreiber der Bremer Kunsthalle. Der 200. Geburtstag wird natürlich groß gefeiert. Dazu hat der Kunstverein auch die Bremer Künstlerschaft eingeladen: Der Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) zeigt seine Jahresausstellung – und zwar integriert und im unmittelbaren Dialog mit der Dauerausstellung der Sammlung.
Mit Fotografien, Installationen, Zeichnungen, Videoarbeiten und Malerei treten 16 Künstlerinnen und Künstler des BBK in einen Dialog mit Exponaten der Kunsthalle. Alle eingereichten Arbeiten sollten sich in irgendeiner Form mit der Kunsthalle und ihrer Sammlung auseinandersetzen. Wie sie das tun und welches Spannungsfeld dabei erzeugt wird, kann man sich bis zum 29. Oktober in der Bremer Kunsthalle ansehen. Schon die Eröffnung der Kunstschau war ein Ereignis in der Bremer Kunstszene und stieß auf großes Interesse bei den Besucherinnen und Besuchern.
Zeitgenösssische Kunst eröffnet neue Sichtweisen
Die Werke der Bremer Künstlerinnen und Künstler sind eingefügt in die Sammlungspräsentation der Kunsthalle, die unter dem Motto "Remix" Themen wie "Krieg", "globaler Handel" oder "Liebe zum Detail" behandelt. Dort steht beispielsweise eine Vitrine mit Kassenzetteln, Parktickets und Wartemarken – täuschend echt gezeichnet von Norman Sandler, der damit unseren zeitgenössischen Alltag in all seiner Banalität in den Kontext der umgebenden niederländischen Stillleben des 17. Jahrhunderts stellt.
Andere Arbeiten greifen gezielt Motive Alter Meister auf – etwa eine Dogge, die Anthonis van Dyck seinem Porträt von Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg 1630 an die Seite gestellt hat. Das Tier war als Zeichen der Treue gedacht, die dem Herrscher gebührte, und wird jetzt von flauschigen Stoffhunden, die Paul Ole Janns im selben Raum platziert hat, nach Kräften ironisiert. Ernsthafter und ganz im Einklang mit dem Zeitgeist weist die Malerin Sibylle Springer mit ihrem Beitrag darauf hin, wie männlich geprägt die Kunstgeschichte ist. Einer ganzen Armee von "Menschenbildern" – Skulpturen, die allesamt von Künstlern geschaffen wurden, hängt sie ihren Gegenentwurf gegenüber: Einen gemalten "Stammbaum" der Künstlerinnen, die ihr wichtig sind, von Frida Kahlo bis Cecily Brown.
Kunst und Kommerz
Andere Interventionen zielen eher allgemeiner auf die Institution Museum ab. Der Künstler Christian Holtmann zum Beispiel thematisiert das Verhältnis von Kunst und Geld. Zwar ist der Kunstmarkt an einem Ort wie der Kunsthalle eigentlich außen vor. Dennoch hängen hier "Werte" und alles, was in einem Kunstmuseum ausgestellt wird, erfährt somit eine Aufwertung. Inmitten der "Bremer Wand", wo die Kunsthalle an zentraler Stelle Bilder aus und über Bremen aus ganz verschiedenen Epochen zeigt, hat Holtmann ein Preisschild als Bild aufgehängt: "Komplett mit Rahmen, 490.-" steht darauf – ein Verweis auf die Gründungsidee des Kunstvereins, der ursprünglich auch zum Ziel hatte, Bremer Künstlern bessere Verkäufe zu ermöglichen.
Mehr junge Kunst für die Kunsthalle
Für das Interesse der Bremer Künstlerschaft an dieser Ausstellung spricht, dass sich rund doppelt so viele Künstlerinnen und Künstler um eine Teilnahme beworben haben, wie sonst bei einer BBK-Jahresausstellung. Doch auch die Kunsthalle profitiert von dieser Ausstellungsidee, sie "belebt" die Sammlung und öffnet neue Sichtweisen darauf. Bremen hat eine Kunsthochschule, in der immer neue Künstlerinnen und Künstler nachwachsen. Ein bisschen mehr Austausch dieser Art wäre für alle ein Gewinn, meint unsere Kunstkritikerin Silke Hennig.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 18. Juli 2023, 08:38 Uhr