In der Ausstellung Home Sweet Home: Übernachten in der Städtischen Galerie
In einem Museum übernachten: Das hört sich verrückt an, ist in der Städtischen Galerie Bremen aber wirklich möglich. In der Ausstellung “out of body experience & horizontal heights” nutzen Effrosyni Kontogeorgou und Lukas Zerbst die Räume in der Neustadt mal ganz neu. Die beiden haben den Bremer Förderpreis für bildende Kunst gewonnen.
Wenn man die Ausstellung betritt, landet man fast in einer Pfütze. Hat es etwa reingeregnet? Doch dann fängt das Wasser auf einmal zu summen an und es bilden sich Muster auf der Wasseroberfläche. Die Künstlerin Effrosyni Kontogeorgou hat unter dem Boden Lautsprecher angebracht, die das Wasser beben lassen. Kurator Ingmar Lähnemann sieht solche Spiele mit dem Raum als Möglichkeit: "Es ist eine Chance, unsere Grenzen auszutesten."
Wenn am Werdersee viel los ist, wissen wir nicht: Kommt abends jemand rein und legt sich hier hin?
Kurator Ingmar Lähnemann über einen zugänglichen Raum
Aber auch wortwörtlich hat Effrosyni Kontogeorgou in der Ausstellung Grenzen ausgetestet. Sie hat eine neue Wand in einem Raum gezogen und so einen neuen erschaffen. Mehr noch: Sie hat einen Innenraum zum öffentlichen Raum gemacht. Die Balkontür, die sonst zu ist, steht nun rund um die Uhr offen und verleiht Zugang zu dem kleinen abgetrennten Raum. "Wenn am Werdersee viel los ist, wissen wir nicht: Kommt abends jemand rein und legt sich hier hin? Oder pinkelt hier jemand hin? Und gerade diese Fragen von: ‘Wie eigne ich mir eigentlich einen öffentlichen Raum an und wie markiere ich den?’, die stellt sie damit.", sagt Ingmar Lähnemann.
Eine Ausstellung, in der ich offiziell übernachten kann
Es gibt aber auch noch eine zweite Übernachtungsmöglichkeit in der Ausstellung: Eine buchbare. Denn Lukas Zerbst hat den größten Raum der Galerie genutzt, um dort ein Bett, eine Couch, einen Schrank, einen Kühlschrank, einen Esstisch und noch ein paar weitere Einrichtungsgegenstände reinzustellen und diesen Raum dann über eine Buchungsplattform anzubieten. Für 100 Euro die Nacht können maximal zwei Menschen den Raum buchen und nutzen.
Wenn jemand zwei Nächte bleibt, haben wir nichts dagegen, wenn man sich hier noch aufhält.
Kurator Ingmar Lähnemann über mögliche Buchungen
Konkret: Wenn die Öffnungszeiten durch sind, also ab 18 Uhr. Und um 10 Uhr muss man auch wieder ausgecheckt haben, wenn man nur eine Nacht bleibt, damit die Galerie um 12 Uhr ganz normal geöffnet werden kann. "Wenn jemand zwei Nächte bleibt, haben wir nichts dagegen, wenn man sich hier noch aufhält, aber man sollte seine Sachen eingeschlossen haben, das Bett wieder gemacht haben und so weiter und so fort. "
Die Aneignung von Raum als künstlerisches Thema
Räume aneignen, Grenzen neu ziehen und neu interpretieren: Dieses Muster lässt sich bei allen Kunstwerken wiederfinden. Viele Räume wirken leer, man muss genau hinschauen, um die Kunstwerke zu bemerken: Wie die neue Wand, die da eigentlich gar nicht steht. Oder zwei Füße auf einem Fensterdach, als ob dort eine Person steht, die eine Grenze des Raumes nach oben visualisieren. Oder auch eine Wand, die sich auf einmal bewegt und plötzlich woanders steht. Aber durch die Kunstwerke wird immer wieder die Frage gestellt: Für wen sind die Räume bestimmt? Wer ist das Publikum?
Wir sind ja ein Haus, was eigentlich ganz offen ist, weil wir die Bremer Szene zeigen.
Kurator Ingmar Lähnemann über das Publikum in der städtischen Galerie
"Das ist für uns auch spannend. Wir sind ja ein Haus, was eigentlich ganz offen ist, weil wir die Bremer Szene zeigen und damit eine ganz große Nähe zum Publikum herstellen, weil die Künstler:innen auch rumspringen. Und wir haben keinen Eintritt, also man muss nicht zahlen bei uns, das ist eigentlich alles recht niedrigschwellig. Aber durch die Lage und dadurch, dass man klingeln muss, sind wir immer wahnsinnig gehemmt. Das heißt diese Ausstellung ist auch für uns eine riesige Herausforderung.", sagt Kurator Ingmar Lähnemann. Es ist eine Ausstellung, die mit dem Finger nicht nur auf das Publikum und die Gesellschaft, sondern auch auf die eigene Szene und Institutionen zeigt. Ein Besuch lohnt sich.