Im Porträt Eine 50-Pfennig-Münze machte Hadi Teherani zum Stararchitekten
Standdatum: 1. August 2024.
Hadi Teherani hat Hamburgs Stadtbild in den vergangenen Jahren geprägt wie kein Zweiter: Der Architekt hat die "Tanzenden Türme" am Fuße der Reeperbahn gebaut, den "Berliner Bogen" oder das spektakuläre "Dockland", das an ein Parallelogramm erinnert und wie ein Schiffsbug über die Elbe hinausragt.
Fast wäre aus Hadi Teherani kein Architekt geworden, denn nach dem Abitur war er zunächst unentschlossen: Architektur in Braunschweig oder Werbegrafik in seiner Heimatstadt Hamburg? Schließlich warf er eine 50-Pfennig-Münze und ging etwas wehmütig nach Braunschweig: "Wenn man Hamburg erlebt hat in der Jugend, dann will man da nicht so schnell weg." Deshalb lag seine erste Wohnung in Braunschweig direkt an der Autobahn. Heute ist er froh, dass es so gekommen ist: "Ich kann mir nichts Anderes vorstellen, auch wenn ich in ein anderes Leben einsteige."
Das war schon eine Pilgerstätte geworden. Für Leute, die autointeressiert waren.
Das "Car & Driver"-Autohaus in Hamburg war 1990 Hadi Teheranis erstes großes Projekt.
Hadi Teheranis Stahl- und Glasbauten prägen das Hamburger Stadtbild. Er selbst sieht sie oft, denn hier ist sein Hauptbüro: "Dann kann ich auch nicht umhin, extra hinzugucken und dann läuft immer der Film ab, wie das Ganze überhaupt entstanden ist", sagt er. Wer die Gebäude nutzt, sei für ihn nicht entscheidend, wohl aber was aus ihnen wird. Sein erstes großes Projekt 1990 war ein flügelartig konstruierter Showroom für Luxusautos: "Das war schon eine Pilgerstätte geworden für Leute, die autointeressiert waren." Inzwischen ist dort ein Elektromarkt eingezogen – und das ärgert ihn schon. "Schade, dass sie das Gebäude nicht verstanden haben", meint der Architekt und Produktdesigner. "Funktional- ästhetisch auf den Punkt gebracht" – so lautet die Formel, nach der er Manschettenknöpfe, E-Bikes, Stadtmöbel oder Türklinken entwirft.
Architektur für Menschen
Seine Luxusbauten haben Hadi Teherani nicht nur Ruhm, sondern auch Kritik eingebracht. Gerade die "Tanzenden Türme" am Anfang der Reeperbahn waren heftig umstritten. Steigende Mieten seien Sache der Politik, lautet sein Kommentar. Für ihn zähle vielmehr, was für einen Standort langfristig wichtig ist. Die Reeperbahn sei nun mal das größte Vergnügungsviertel der Welt, "da können nicht nur Buden rumstehen."
Da musst du dich erstmal wieder mit Regeln auseinandersetzen, die du gar nicht einsiehst.
Sagt Hadi Teherani über den sozialen Wohnungsbau.
Er möchte für Menschen bauen, daher könnte er sich auch vorstellen, Sozialwohnungen zu entwerfen: "Das würde mich reizen, auch wenn man sagt: Da musst du dich erstmal wieder mit Regeln auseinandersetzen, die du gar nicht einsiehst. Da ist ja schon oft vorgegeben, wie groß ein Kinderzimmer ist. Aber wir haben gelernt, auch aus engen Korsetts und Bedingungen gute Architektur zu machen."
Aus diesem Grund sind seine Entwürfe auf der ganzen Welt gefragt: "Wenn ich in Indien baue, muss ich mich auch an indische Lebensweisen und Regeln halten." Viele seiner Projekte werden in autokratisch regierten Ländern realisiert. "Man kann darüber streiten, aber ich habe meine persönliche Meinung: Ich bau für Menschen. Und die Menschen, egal unter welchem Regime sie leben, haben es verdient, gute Architektur, gutes Design und gute Lebensvoraussetzungen zu kriegen", sagt Hadi Teherani, der auch in Teheran ein Büro unterhält. Dass seine Mitarbeiterinnen unter der Kopftuchkontrolle leiden, sei für ihn unerträglich. Trotzdem möchte er gerade jetzt dort sein, weil sich Teheran als kultureller Hotspot zeige – und er ist optimistisch, schließlich fiel die Mauer ziemlich überraschend.
Hanseat mit iranischen Wurzeln
1960 wanderte die Familie Teherani aus dem Iran nach Hamburg aus. Deutschland war fremd, die Sprache unbekannt: "Ich wurde ja plötzlich schulpflichtig, also mit sechs Jahren, und meine Mutter hatte unglaubliche Sorge, dass sie die Schule gar nicht bezahlen kann, weil sie kein Geld hatten. Und es war geplant, dass ich wieder zurück nach Teheran sollte, um dort zur Schule zu gehen." Doch dann schrieb die Behörde, die Schule wäre Pflicht und kostenlos: "Da ist meine Mutter in die Luft gesprungen und hat sich gefreut und ich durfte bleiben."
Damals war eine andere Zeit. Da musste man jemand suchen, der aus einem anderen Land kam.
Hadi Teheranis Integration verlief wie von selbst.
Die 30 Kinder in der Klasse brachten Hadi ganz schnell Deutsch bei. Seine Muttersprache Farsi hat der heute 70-Jährige erst vor wenigen Jahren wiederbelebt. Dass Integration heute nicht mehr so einfach gelingt, weil viele Menschen inzwischen Berührungsängste haben, ist ihm sehr wohl bewusst: "Damals war eine andere Zeit. Da musste man jemand suchen, der aus einem anderen Land kam. Ich war auch immer der einzige in der Klasse, der dunkle Haare hatte."
Es gehört zur persischen Höflichkeit, dass man das nimmt und trotzdem freundlich ist, um einen guten Weg zu bereiten.
Für Hadi Teherani passen die persische Kultur und die hanseatische Mentalität perfekt zusammen.
Er selbst hat das als Student erlebt, denn sein erster Vermieter in Braunschweig verstand nicht, dass Hadi mit ihm Deutsch sprach: "Er sprach mit mir ausländisch-deutsch: Du gehen Uni heute?", erinnert er sich – und nahm das so hin. "Es gehört zur persischen Höflichkeit, dass man das nimmt und trotzdem freundlich ist, um einen guten Weg zu bereiten." Hadi Teherani ist ein überzeugter Hanseat. Er liebt die Farbe Dunkelblau, die anglophile Haltung, das gute Benehmen und die Eleganz der Stadt Hamburg. "Gerade die Perser passen gut hier rein durch unsere Kultur und unser Benehmen. Deshalb fühlen wir uns hier nie fremd."
Hadi Teherani im Hamburg Journal in der ARD Mediathek
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 1. August 2024, 18:05 Uhr