Im Porträt Stefan Ulrich schreibt über 15 Inseln, die ganz Italien erklären
Standdatum: 2. Juli 2024.
Traumhafte Sandstrände, steile Klippen oder enge Gassen: Stefan Ulrich hat mit "Isole Belle" eine italienische Entdeckungsreise in 15 Kurzgeschichten geschrieben. Er war auf Capri, Elba und Sizilien, aber auch auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa oder auf Tavolara, dem "kleinsten Königreich" der Welt.
Manche sind wild und rau, andere lieblich und romantisch: Die Inseln Italiens haben es dem Münchener Autor Stefan Ulrich angetan – vor allem wegen ihrer Vielfalt: "Es gibt Inseln ganz im Süden, die sind fast schwarz, weil sie rein vulkanisch sind. Und dann gibt es die ganz lieblichen, klassischen Inseln wie Elba und Capri, die den Mittelmeertraum bedienen."
Sehnsuchtsort Insel
Diese Vielseitigkeit hat er zum Anlass für sein neues Buch genommen: "Isole Belle". Mehr als 200 Inseln zählen zu Italien, 15 davon hat Stefan Ulrich für sein Buch besucht.
Inseln erwecken in mir und in vielen Menschen einen Abenteuergeist, einen Entdeckergeist.
Sagt Italien-Kenner Stefan Ulrich über seine Motivation für sein neues Buch.
Italien ist ein Sehnsuchtsort für viele Deutsche, doch gerade Italiens Inseln faszinieren den Journalisten ganz besonders: "Inseln erwecken in mir und in vielen Menschen einen Abenteuergeist, einen Entdeckergeist. Man will in ein fremdes, vom Meer umspültes, aber doch in sich umschlossenes Reich vordringen." Dabei hat er fast überall die gleiche Beobachtung gemacht: "Menschen, die von den Inseln stammen und in die Ferne ziehen, kehren meist wieder zurück, da ihnen in der Fremde etwas fehlt." Durch die Mitgliedschaft in der EU, durch den Massentourismus oder eigene Reisen brechen aber auch in Italien alte Lebensentwürfe auf. Das betrifft zum Beispiel die Großfamilie, so Ulrich weiter, selbst im traditionellen Süden.
Italien-Fan seit Kindertagen
Zum Italien-Fan wurde Stefan Ulrich mit etwa sieben Jahren im Sommerurlaub in Santa Margherita Ligure: "Das war für mich so ein richtiges Erweckungserlebnis. Ich war total hin und weg von: das erste Mal das Meer sehen, das erste Mal Pinien, Palmen, die ganzen Blüten, kleine Buchten mit Felsinseln; dann eben schon damals die Küche, die Meeresfrüchte-Küche."
Das war wirklich Liebe auf den ersten Blick. Und die hat – trotz mancher Krisen und Enttäuschungen zu Italien – bis heute gehalten.
Erinnert sich der ehemalige SZ-Korrespondent.
Sein Vater nahm ihn mit zum Schnorcheln. "Das war wirklich Liebe auf den ersten Blick. Und die hat trotz mancher Krisen und Enttäuschungen zu Italien bis heute gehalten", sagt der heute 60-Jährige. Gerade das Zusammensein am Abend mit allen Generationen liebte er schon als Kind. Geboren wurde Stefan Ulrich 1963 in Starnberg. Bereits sein Urgroßvater soll von Italien geschwärmt haben. Die Hochzeitsreise der Großeltern ging nach Neapel, was in den 1920er Jahren noch außergewöhnlich war.
Und meine kleine Tochter schaute auf den Boden und sah eben die Bettler und den Schmutz und war entsetzt.
Ulrichs Tochter war sechs, sein Sohn vier Jahre alt als die Familie nach Rom übersiedelte.
Von 2005 bis 2009 war Stefan Ulrich Korrespondent in Rom für die Süddeutsche Zeitung: "Meine Frau und ich, wir gingen die erste Zeit eben durch Rom und haben immer nach oben geschaut, zu den Palazzi, den Kirchenfassaden, und waren begeistert. Und meine kleine Tochter schaute auf den Boden und sah eben die Bettler und den Schmutz und war entsetzt. Also das war eine ganz andere Wahrnehmung, die mich auch sehr nachdenklich machte."
Italien als "Brennglas" Europas
Das neue Buch "Isole Belle" handelt nicht nur von den schönen Seiten Italiens: So beschreibt Stefan Ulrich im Kapitel über Santa Cristina, wie Hochwasser, Stürme und invasive Krabben-Arten das Eiland vor Venedig bedrohen: „Das ist eine Privatinsel, die gehört der Swarovski-Familie. Diese Insel ist sehr, sehr niedrig und ist Teil eines ansonsten bereits untergegangenen Archipels“.
Ich habe auf Lampedusa … keinerlei Rassismus, keinerlei Aggression oder Ausfälligkeiten gegenüber Flüchtlingen erlebt.
Der Journalist war mehrfach dort und hat mit den Menschen gesprochen.
Er reiste auch nach Lampedusa. Für viele Italiener ist das eine normale Urlaubsinsel, für die politisch Rechte ein Einfallstor nach Europa. Doch der Autor stellte fest: "Ich habe auf Lampedusa unter den Lampedusani keinerlei, bei verschiedenen Besuchen, keinerlei Rassismus, keinerlei Aggression oder Ausfälligkeiten gegenüber Flüchtlingen erlebt, sondern im Gegenteil – trotz der Probleme, die die Insel damit hat – sehr, sehr viel Verständnis und Hilfsbereitschaft, die nach wie vor da ist. Und das hat mich sehr beeindruckt."
Solche Eindrücke gehen dem Schriftsteller sehr nahe. Aber der Beruf bringt auch viele schöne Seiten mit sich, ein neues Buchprojekt über Sizilien zum Beispiel. Das handelt von Ecken, die der Italien-Experte noch nicht so gut kennt: von Fahrten übers Land, von abgelegenen Dörfern, der vielfältigen Kochkultur und den interessanten Menschen dort. "Auf das Neue, Fremde, Überraschende – darauf freue ich mich sehr!"
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 27. Juni, 18:05 Uhr