Im Porträt Stilikone Günther Krabbenhöft feiert das Leben

Autorinnen

Günther Krabbenhöft mit Stock und Hut,angelehnt sich an eine mit Graffiti bemalte Mauer
Lässig, elegant und chic: So streift der 79-jährige Günther Krabbenhöft durch Berlins Straßen. Bild: dpa | Britta Pedersen

Günther Krabbenhöft ist ein Internetphänomen: Dank seines Looks wurde er als "Hipster-Opa" und "Stilikone" von Berlin bekannt. Der 79-Jährige ist stets gut gelaunt auf Kreuzbergs Straßen oder in angesagten Technoclubs unterwegs.

Günther Krabbenhöft mit Stock und Hut,angelehnt sich an eine mit Graffiti bemalte Mauer

Gesprächszeit Warum ein Morgenmantel für ihn der Gipfel der Lässigkeit ist

Günther Krabbenhöft ist stets perfekt gekleidet und auf Kreuzbergs Straßen oder in Berliner Technoclubs unterwegs. Der 79-Jährige wurde als "Hipster-Opa" bekannt.

Bild: dpa | Britta Pedersen

Hut, enge Jeans mit Weste, Schleife, Einstecktuch und feine Lederhandschuhe: Günther Krabbenhöft weiß, dass er mit seinem Look eine Wirkung erzielt: "Wenn ich mich so ein bisschen klassisch kleide und meinen eigenen Style habe, das fällt natürlich auf. Gewollt oder ungewollt." Den Gehstock braucht er nicht, doch er liebt es, beim Flanieren damit zu spielen: "Das finde ich eine nette, lässige Attitüde", schmunzelt er.

Mit 70 plötzlich ein Star im Netz

In einem Lebensabschnitt, in dem andere in seinem Alter Dinge beenden, hat Günther Krabbenhöft ein neues Kapitel aufgeschlagen. Vor neun Jahren machte ein Tourist zufällig ein Foto von ihm, das Bild ging viral. Seitdem wird der gebürtige Niedersachse auf Instagram als Berlins cooler "Techno-Opa" gefeiert. Für Günther Krabbenhöft damals mehr als erstaunlich: "Das war etwas ganz Neues, Aufregendes und ich habe gedacht, ich schaue mal, was sich daraus entwickelt."

Aufgewachsen als Nachkriegskind

Ein langer Weg durchs Leben hat Günther Krabbenhöft, zu dem Mann gemacht, der heute viral geht. Aufgewachsen ist der heute 79-Jährige als Nachkriegskind auf dem Bauernhof seines Großvaters in einem Dorf bei Hannover.

"Ich habe immer sehr früh gespürt, dass da draußen die Welt nicht so unbedingt meins war."

Günther Krabbenhöft über seine Kindheit in den Fünzigern auf dem niedersächsischen Land
Günther Krabbenhöft mit Hut und Anzug sitzt auf einem roten, antiken Sofa.
Sein langer Lebensweg führte Günther Krabbenhöft aus Niedersachsen nach Berlin. Bild: dpa | Britta Pedersen

Er und seine drei älteren Geschwister wurden in einem Umfeld groß, in dem die Erwachsenen sich nach dem Zweiten Weltkrieg ordnen und neu orientieren mussten. Für die Kinder blieb neben den Existenzsorgen manchmal wenig Zeit: "Wir konnten uns dort bewegen ohne starke Reglementierung." Doch Günther Krabbenhöft zog sich als Teenager von den anderen zurück: "Ich habe immer sehr früh gespürt, dass da draußen die Welt oder die Menschen, die mich umgegeben haben, nicht so unbedingt meins war. Ich fühlte mich allein und unverstanden."

Im Dorf wurde er gehänselt und gemobbt

Krabbenhöft verschaffte sich Fluchten in die Margeriten-Wiese oder träumte sich auf die vorbeiziehenden Wolken. Nach was genau er sich damals sehnte, kann Günther Krabbenhöft nicht benennen, aber mit 17 hatte er schon zwei Selbstmord-Versuche hinter sich. Er besuchte die Volksschule, war ein guter Schüler und träumte davon, Lampen zu designen oder als Kindergärtner zu arbeiten. Seine Eltern entschieden schließlich, dass er Koch wird: "Ich hab‘ mich da durchgequält, wurde auch gehänselt und gemobbt, bin weggelaufen. Ich war immer so, dass ich merkte: 'Ich gehöre nicht hierhin, ich bin anders.'"

Ich bin in eine Situation mit einem Mann gekommen, was mich total aus der Bahn geworfen hat.

Günther Krabbenhöft über sein frühes Coming-Out Ende der Siebziger

Krabbenhöft heiratete und wurde Vater. Mit 32 riss etwas in ihm auf, dass der gesamten Familie den Boden unter den Füßen wegriss: "Ich bin in eine Situation mit einem Mann gekommen, was mich total aus der Bahn geworfen hat. Ich habe mich lange dagegen gewehrt und versucht das zu verdrängen." Ende der Siebziger Jahre hatte Günther Krabbenhöft sein Coming-Out. Seiner Frau ist er noch heute dankbar, dass sie ihn unterstützt und ihm geholfen hat, sich zu finden. Halt fand er auch in einer Selbsthilfegruppe für schwule Väter: "Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, dass ich auch nicht alleine bin."

Als schwuler Vater zu Gast bei Biolek

Günther Krabbenhöft sitzt lächelnd an einem Fenster und schaut heraus
Neugierig bleiben und die Kindlichkeit bewahren: Das ist dem heute 79-Jährigen wichtig. Bild: dpa | Britta Pedersen

Seine Tochter entschied sich nach der Scheidung sogar dazu, bei ihm zu leben. 1994 war Günther Krabbenhöft bei Alfred Biolek zu Gast und sprach – an der Seite seiner Tochter und Frau – über sein Coming-Out als schwuler Vater. Kolleginnen und Kollegen gratulierten ihm damals zu seinem Mut: "Das war ein tolles Gefühl: Plötzlich etwas zu bekommen, was ich nicht erwartet hatte." Zu der Zeit arbeitete Günther Krabbenhöft auch als Sterbebegleiter bei der Berliner Aidshilfe. Damals war Aids noch ein Todesurteil und auch wenn es manchmal schwer war, den körperlichen Verfall der Kranken zu sehen, hat Günther Krabbenhöft die Aufgabe gerne gemacht: "Ich habe auch davon profitiert, mich mit dem Leben und dem Tod auseinanderzusetzen. Das ist ein Gewinn gewesen."

Als Großvater zum ersten Mal ins "Berghain"

Optisch hat sich Günther Krabbenhöft viele Jahrzehnte zurückgehalten. Obwohl er bereits früh seinen eigenen Style pflegte und Kleidung aus den Zwanzigern oder Fünfzigern Secondhand einkaufte: "Das war immer eine Freude, herauszufinden und auszuprobieren, wie Kleidung mir den Rahmen gibt." Er war schon 70 als er eines Sonntagmorgens von zwei jungen Frauen auf seinen Look angesprochen wurde, die ihn prompt fragten, ob er sie nicht den Nachtclub "Berghain" begleiten wolle. "Und in Sekundenschnelle habe ich gedacht: Hey, das war doch immer mal dein Wunsch!".

Und dann habe ich da acht Stunden getanzt, als wenn es kein Morgen gäbe.

Günther Krabbenhöft über sein erstes Mal im Nachclub "Berghain"

Die Frauen stellten den damals 70-Jährigen ihren Freunden vor und zeigten ihm alles, was er in diesem angesagten Berliner Club wissen musste: "Und dann habe ich da acht Stunden getanzt, als wenn es kein Morgen gäbe." Zehn Zentimeter über der Erde schwebend ging er später nach Hause und schwor sich wieder zu kommen. "Und dann habe ich mir diese Aussage angewöhnt: 'Ich gehe heute zum Gottesdienst! In den Tempel der Lebensfreude.'"

Schluss ist erst, wenn Schluss ist

Inzwischen postet Günther Krabbenhöft selbst auf Instagram Bilder und Geschichten, die ihn beschäftigen. Mit seinen 300.000 Followern ist er in regem Austausch. Denn für ihn gibt es auch mit seinen 79 Jahren immer noch viel zu entdecken. Wichtig ist ihm, sich seine Neugierde zu bewahren und seine Kindlichkeit zu bewahren. Nach dem "Berghain" auf einem Spielplatz zu schaukeln findet er heute noch genauso wunderbar wie mit sieben.

Für mich ist es der Gipfel der Lässigkeit und eines Lümmel-Sofa-Tags, wenn ich einen eleganten Schlafanzug und dazu einen eleganten Morgenmantel habe.

Warum Günther Krabbenhöft nie eine Jogginghose tragen würde.

Doch mit einer Jogginghose würde Günther Krabbenhöft auch heute nicht das Haus verlassen: "Unvorstellbar! Für mich ist es der Gipfel der Lässigkeit und eines Lümmel-Sofa-Tags, wenn ich einen eleganten Schlafanzug und dazu einen eleganten Morgenmantel habe. Das ist für mich der Inbegriff der Lässigkeit und der Coolness in solchen Momenten." Schluss ist erst, wenn Schluss ist. Aufschieben tut er nichts mehr in seinem Leben: "Ich möchte mein Herz füllen mit schönen Gedanken und Gefühlen, so dass ich am Ende des Tages sagen kann: Das war eine tolle Fahrt durchs Leben!"

Günther Krabbenhöft in der ARD Mediathek

Hier können Sie sich externe Inhalte (Text, Bild, Video…) von ARD-Mediathek anzeigen lassen

Stimmen Sie zu, stellt Ihr Browser eine Verbindung mit dem Anbieter her.
Mehr Infos zum Thema Datenschutz.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 8. August 2024, 18:05 Uhr

Bremen Zwei Livestream & aktuelle Sendung.

Niederdeutsches Hörspiel

Niederdeutsches Hörspiel
Niederdeutsches Hörspiel
  • Niederdeutsches Hörspiel