Im Porträt Mit ihr darf auch über Depressionen und Neurosen gelacht werden
Standdatum: 4. Juli 2023.
Ihr persönliches Scheitern ist Helene Bockhorsts größter Erfolg. Denn auf der Bühne begeistert die junge Stand-Up-Comedienne mit den tragischen Seiten ihres Lebens. Sie erzählt von ihrer Depression, von Therapie und den Tiefpunkten ihres Lebens.
Da steht sie auf der Bühne: Eine eher zarte Frau, lange braune Haare, eine große Brille, ihre Stimme ist nicht laut und sie hat auch noch eine komische Aussprache. Und sie redet über ihre schreckliche Kindheit, über zehn Jahre Therapie-Erfahrung, über ihre Unzulänglichkeiten – und immer wieder über “Säx”. Und während man sich auf sie konzentriert, fangen links und rechts im Publikum die ersten schon an zu lachen und man stellt fest: Die hat wirklich was zu sagen und ist auch noch witzig. Sie hat ihre Preise, Fangemeinde und Tourneen verdient.
Es gab Momente, wo ich gedacht habe, ich kann nicht weiterleben.
Helene Bockhorst über ihre Tiefpunkte
Dabei war die Karriere als erfolgreiche Comedienne bei Helene Bockhorst ganz und gar nicht absehbar: "Ich war eigentlich nie ein Mensch, der gerne im Mittelpunkt stehen wollte." Hinzu kamen Umstände, die alles andere als förderlich waren: Eine Festanstellung als Redakteurin bei einer Immobilienzeitschrift, einige Neurosen und eine handfeste Depression. "Es gab Momente, wo ich auf dem Boden lag und gedacht habe, ich kann nicht weiterleben."
Bühnen werden ihr Ventil
Eines Abends – ihr geht es eigentlich schlecht in der Zeit – geht Helene Bockhorst zu einem Poetry Slam. Sie sitzt im Publikum und stellt fest: Man kann dort eigene Texte vorlesen. Sie beschließt, mitzumachen: "Ich habe ein Ventil gesucht für meine Texte, weil mich Schreiben wirklich sehr erfüllt und glücklich macht." Sie erzählt keinem etwas von ihrem Vorhaben und klettert beim nächsten Mal mit einem eigenen Text auf die Bühne.
Inzwischen bin ich nicht mehr so extrem abhängig von der Bestätigung von außen.
Helene Bockhorst über die Sucht nach Scheinwerferlicht
Etwa 40 Zuschauende sind bei dieser Premiere dabei und die gebürtige Hamburgerin fühlt sich von ihnen angenommen und akzeptiert. Von da an tritt sie wieder und wieder auf, gewinnt nach einem Jahr den begehrten Hamburger Comedy Pokal und kündigt ihre Arbeitsstelle. Ihre Auftritte häufen sich, sie sei irgendwann richtig süchtig gewesen. "Inzwischen bin ich nicht mehr so extrem abhängig von der Bestätigung von außen", sagt sie.
Neues Programm: "Nimm mich ernst"
Gerade erst hat sie eine Geschichte zum Bahngeschichten-Buch "Und sie bewegt sich doch!", das bei Rowohlt erschienen ist, beigesteuert. Aber eigentlich schreibt Helene Bockhorst gerade an ihrem dritten Programm. Es heißt "Nimm mich ernst" und es soll anders werden, als ihre vorherigen.
Das soll für die Zuschauer auch eine gute Erfahrung werden
Helene Bockhorst über ihr neues Programm
Dieses Programm soll "mehr für mich" sein, hat die Wahl-Mannheimerin erklärt. Sie will sich noch weiter ausprobieren: mehr ernsthafte Passagen und sogar kleine Herausforderungen für sich selbst auf der Bühne. So will sie ihre Hemmungen überwinden und Dinge tun, die ihr sehr schwer fallen, zum Beispiel jemanden um etwas zu bitten. "Aber das soll für die Zuschauer auch eine gute Erfahrung werden", sagt sie und grübelt noch, wie genau sie ihre Ideen und Ansprüche umsetzten will. Dabei klingt sie sehr gelassen. Denn trotz ihrer großen Unsicherheiten ist eines inzwischen klar: "Ich mache den Job schon sehr gerne."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 7. Juni 2023, 18:05 Uhr