Im Porträt Kunst und Humor: Für Jakob Schwerdtfeger eine perfekte Kombi
Standdatum: 22. Mai 2023.
"Ich will den Leuten Bock auf Kunst machen." Weil er selbst gemerkt hat, dass Kunst oft elitär und langweilig daherkommt, erklärt Kunsthistoriker Jakob Schwerdtfeger auf Instagram in unterhaltsamen Videos, warum die Farben bei Kandinskys abstrakter Kunst so "ballern" oder warum ein blamabler Raub die "Mona Lisa" so berühmt gemacht hat. Mit seiner Kunst-Comedy "Ein Bild für die Götter" steht er auch auf der Bühne.
Mit Mitte 30 und seinem sportlichem Look sieht Jakob Schwerdtfeger nicht gerade wie der typische Kunsthistoriker im Tweed-Sakko aus. Und das muss er auch nicht. Kunst ist für Jakob Schwerdtfeger kreativer Ausdruck und er will auch Menschen den Zugang zu Kunst verschaffen, die sonst nie ins Museum gehen: "Leute schreckt Kunst oft eher ab. Die denken: ‚Oaah – das ist so elitär!‘ Und ich sag: 'Nee! Kunst ist unfassbar spannend und cool'. Und ich glaube, dass Humor sehr viele Türen öffnet."
Wir alle lieben doch Entertainment. Warum nicht mit Kunst?
Jakob Schwertfeger über den oft schwierigen Zugang zu Kunst
Er weiß, dass in seiner Kunstwelt in einer sehr gestelzten Sprache über Kunstwerke geredet wird. "Ich reagiere allergisch auf diese hochgestochenen Sätze", schmunzelt er. "Ein Diskurs, der in einer Fachwelt geführt wird, ist völlig in Ordnung. Nur: Wenn du einen Wandtext im Museum schreibst, den Laien lesen, dann musst du eine andere Sprache verwenden," lautet seine Forderung. Kunst ist nicht elitär – sie wird elitär gemacht, so der Kunst-Comedian: "Wir alle lieben doch Entertainment. Warum nicht mit Kunst?"
Sex am Strand ist ne mega Enttäuschung und das ist die Mona Lisa, glaube ich, auch.
Jakob Schwertfeger über das kleine Bild, um das es ein großes Gedränge gibt
Wenn Jakob Schwerdtfeger über das spricht, was er so liebt, wird es unterhaltsam. Die "Mona Lisa", um die sich im Pariser Louvre so gedrängelt wird, findet er zum Beispiel überbewertet. "Die Mona Lisa ist wie Sex am Strand", meint Jakob Schwerdtfeger. "Sex am Strand ist ne mega Enttäuschung und das ist die Mona Lisa, glaube ich, auch. Ich habe das damit verglichen, weil das so was Abenteuerliches und Wildes ist – und dann ist es einfach sehr sandig". Er selbst ist zum Beispiel Fan der abstrakten Kunst des deutschen Malers Fred Thieler, den er kürzlich in Duisburg gesehen hat: "Und das war zum Niederknien! Wie der mit Farben und Komposition umgeht! Das sind Bilder, da stehe ich davor und denke irgendwann, ich kann diese Schönheit kaum aushalten."
So viel Dynamik, so viel Wirbel, diese schnellen, irren Pinselstriche von van Gogh!
So beschreibt Jakob Schwerdtfeger sein Erweckungserlebnis im Museum
Auf den Kunst- Geschmack ist er auf einem Amsterdam-Trip mit 15 gekommen. Im Van-Gogh-Museum entdeckte er die Maltechnik des alten Meisters, der nicht versucht hatte, die Welt wie ein Foto abzubilden: "Da war so viel Dynamik, so viel Wirbel, diese schnellen, irren Pinselstriche von van Gogh. Das hat in dem Moment irgendwie Klick gemacht. Irgendwie ist in diesem Bild mehr als nur die Welt abgemalt." Dass seine Eltern ihn oft ins Museum "geschliffen" haben, dafür ist Schwerdtfeger heute sehr dankbar.
Bühnenkunst ist sein Medium
Mit 17 war ihm klar, dass Kunstgeschichte das perfekte Studium für ihn ist, danach startete er als Kunstpädagoge im Städel-Museum. Zeichnen, Malen, Skulpturen – Schwerdtfeger hat dabei auch selbst alles ausprobiert, war aber in keinem der Ausdrucksformen wirklich gut. "Ich habe dann irgendwann gemerkt, dass die Bühnenkunst mein Medium ist. Auf der Bühne stehen und Leute zum Lachen bringen – das ist die Kunstform, die ich beherrsche."
Suppe auf van Gogh, Kartoffelbrei auf Monet
Seine unbefristete Stelle im Museum hat Jakob Schwerdtfeger inzwischen gekündigt und ist seither mit seinem ersten Bühnenprogramm "Ein Bild für die Götter" auf Tour. Daneben ist er auf Instagram, TikTok und Youtube mit seinen Videos sehr erfolgreich. Tomatensuppe auf van Gogh, Kartoffelbrei auf Monet – auch mit den aktuellen Klimaprotesten setzt sich Jakob Schwerdtfeger auseinander.
Eines muss man den Aktivistinnen und Aktivisten lassen: Sie haben verstanden, wie man starke Bilder kreiert.
Jakob Schwerdtfeger über die jüngsten Klimaproteste, bei denen Kunstwerke mit Suppe beworfen wurden
Auch wenn sein Kunsthistoriker-Herz bei diesen Protest-Aktionen blutet, hat er Verständnis: "Unsere gesamte Lebensgrundlage ist in Gefahr. Wie sollst du darauf aufmerksam machen. Du musst stören!" Die Aktionen hätten ihm noch einmal gezeigt, wie wichtig und aktuell Kunst ist: "Eines muss man den Aktivistinnen und Aktivisten lassen: Sie haben verstanden, wie man starke Bilder kreiert."
Kunst hat mich offener gemacht.
Jakob Schwerdtfeger über das was Kunst bewegen kann
Gerade hatte Jakob Schwerdtfeger mit einem Auftritt im Oldenburger Schloss – Wahrzeichen der Stadt und Sitz des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte – seine Oldenburg-Premiere und war schwer beeindruckt: "Ich bin glaube ich noch nie in einem Raum mit so viel Samt und Goldglanz und Schmucksachen aufgetreten". Das Tolle an seinem freien Tour-Leben? Er kann überall und immer wieder ins Museum gehen. Am liebsten ohne Plan und ohne Audioguide. Denn er hält nichts davon Kunstwerke, schnell abzuurteilen sondern fragt sich lieber, was er diesem oder jenen Werk mitnehmen kann: "Kunst hat mich offener gemacht."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 22. Mai 2024, 18:05 Uhr