Im Porträt Léon Schäfers Gold-Idee bei den Paralympics in Paris
Standdatum: 27. August 2024.
Bei den Paralympics in Paris will Léon Schäfer es der Konkurrenz wieder zeigen. Der in Bremen aufgewachsene Weitspringer und Sprinter gewann in diesem Jahr bei den Para-Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Japan schon zwei Goldmedaillen: im Weitsprung und über 100 Meter. Als Kind wollte er eigentlich Profi-Fußballer werden. Doch nach einer Knochenkrebserkrankung mit 13 Jahren musste ihm der rechte Unterschenkel amputiert werden.
Wenn er sich selbst beschreiben soll, wählt Léon Schäfer folgende Worte: "Lässiger Typ, mutig, ehrlich, aufrichtig." Und: "Waschechter Bremer Junge!". Denn aufgewachsen ist er im international geprägten Stadtteil Gröpelingen. Hier leben seine Familie und seine engsten Freunde: "Ich habe immer Liebe für Bremen."
Ich will einfach abliefern und performen.
Léon Schäfer über das Gefühl in vollen Stadien aufzulaufen
Der 27-Jährige ist frisch gekürter Doppel-Weltmeister. Im Mai gewann er bei den Para-Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Japan Gold im Weitsprung und erstmals über 100 Meter. Was ihm noch fehlt ist eine Goldmedaille bei den paralympischen Spielen. Vor drei Jahren in Tokio, sagt Schäfer, seit er fast ein bisschen hochnäsig aufgetreten: "Ich war mir eigentlich ziemlich sicher, dass ich das Ding gewinne." Am Ende reichte es aber nur für Bronze und Silber. Seither hat Schäfer viel an seinem Mindset gearbeitet. Denn eigentlich ist er ein richtiger Wettkampf-Typ: "Ich liebe einfach dieses Vor-den-Menschen-stehen, denen eine geile Show bieten. Sie quasi entlohnen für die Eintritte, die sie da zahlen, um uns zu sehen. Ich will einfach abliefern und performen."
Die Konkurrenz pusht zum Erfolg
Weil die Spiele nur alle vier Jahre stattfinden, ist der Leistungsdruck und die Erwartungshaltung unter den Athleten groß. Aber Léon Schäfer konzentriert sich ganz auf sich: "In erster Linie geht es mir darum, das Beste aus mir herauszuholen, mich selbst zu übertreffen. Meine Konkurrenten sehe ich so ein bisschen als Menschen, die mir helfen, das zu erreichen, indem sie mich pushen."
Meine Stärke ist das Fliegen.
Léon Schäfer über seine Qualitäten als Sprinter
Aus Paris will der ehrgeizige Bremer nun endlich Gold mitbringen und die Chancen stehen auch im Sprint sehr gut: "Meine Stärke ist das Fliegen. Das heißt, wenn ich meinen Top-Speed erreicht habe, kann ich den ganz gut halten. Wenn ich den Start einigermaßen vernünftig erwische, woran wir jetzt gut dran gearbeitet haben, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass ich mir auch da den Weltrekord holen kann."
Das Fußball-Talent bekam Krebs
Dass er mal ganz oben auf dem olympischen Treppchen stehen könnte, hat vor vielen Jahren noch niemand ahnen können. Denn als Kind war Léon Schäfer eigentlich ein hoffnungsvolles Fußball-Talent und träumte von einer großen Karriere im Bremer Weserstadion. Mit 12 Jahren wurde bei ihm dann Knochenkrebs diagnostiziert: "Ich hatte keinen Plan, was das heißt. Das hatte man vielleicht mal im Fernsehen gehört."
Meine allererste Frage war: "Kann ich weiter Fußball spielen?"
Léon Schäfer über die Zeit, als sein Bein amputiert werden sollte
Nach einem halben Jahr Chemotherapie stand fest, dass auch sein rechtes Bein amputiert werden muss: "Meine allererste Frage war: 'Kann ich weiter Fußball spielen?'" Der operierende Professor verneinte: "Das war für mich, wenn ich ehrlich bin, dass Schlimmste an der ganzen Geschichte. Nicht, dass mein Bein ab war, sondern, dass ich nicht mehr Fußball spielen konnte."
Ich habe gesehen, dass schnell laufen möglich ist. Und das war das Wichtigste.
Léon Schäfer über seine Begegnung mit dem Parasportler Markus Rehm
Nach der Behandlung auf der Kinderonkologie-Station bot ihm die Organisation "Wünsch dir was" an, ihm einen Herzenswunsch zu erfüllen. Léon Schäfer überlegte lange und wollte schließlich einen Sportler mit Prothese treffen. Weitsprung-Champion Markus Rehm zeigte dem Teenager schließlich, wie er trainiert: "Ich habe gesehen, dass schnell laufen möglich ist. Und das war das Wichtigste. Und dann habe ich mich relativ schnell dafür entschieden und wollte das machen." Natürlich trauerte er dem Fußballspielen nach, doch er schloss relativ schnell Frieden mit der neuen Situation und mit viel Elan sattelte er sportlich um.
Inspiration für Andere
Heute trainiert Léon Schäfer in Leverkusen, wo er beste Trainingsbedingungen vorfindet. Inzwischen ist er Inspiration für andere Menschen – mit und ohne Handicap. Zwei Mal schon ist er zu Bremens Behindertensportler des Jahres gekürt worden und ist aktuell Deutschlands Parasportler des Jahres. An die Zeit nach seiner Karriere denkt er noch nicht. 2028 finden die paralympischen Spiele in Los Angeles statt: "Das wird, glaube ich, noch mal richtig fett und die will ich auf jeden Fall noch mitnehmen." Der 27-Jährige, der keine Nörgler mag, hat für sich entschieden, positiv durchs zu Leben gehen: "Dinge passieren in unserem Leben. Die passieren ohne Wertung. Wir als Menschen geben eine Wertung. Wir sagen: Boah, das ist schlecht oder Boah, das ist geil."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 27. August 2024, 18:05 Uhr