Im Porträt Diese Bremerin will, dass alle Frauen Teil der Stadtgesellschaft sind
Standdatum: 17. November 2023.
Die 45-jährige Rania Enan hat 2015 den Verein "Arabischer Frauenbund" gegründet, mit dem sie sich für die Integration von Frauen aus verschiedenen Ländern einsetzt. Unsere Reporterin Lieselotte Scheewe hat Rania für unsere Reihe "Lieblingsmensch" in Bremen besucht.
Rania Enan weiß, wie sich Einsamkeit anfühlt,. Vor 16 Jahren kam sie aus Ägypten nach Bremen. "Die ersten zwei Jahre waren wirklich schlimm: Depressionen, Kopfschmerzen, ich konnte nicht rausgehen. Ich fühlte mich nicht gut, meine Familie ist nicht mehr da", erzählt sie.
Aber dann begann sie, sich ehrenamtlich zu engagieren — um anderen zu helfen, die in einer ähnlichen Situation waren wie sie. Als Psychologin weiß Rania Enan nämlich auch, wie unser Gehirn funktioniert. "Wir haben immer Angst vor den Sachen, die wir nicht kennen."
Deshalb will die 45-Jährige andere Frauen unterstützen und hat 2015 den Verein Arabischer Frauenbund gegründet. Sie setzt sich unermüdlich für die Integration und für die Bedürfnisse von Frauen verschiedener Herkunft ein.
Ich war immer frei, ich konnte hingehen, wohin ich wollte. Ich konnte auch mit den Leuten kommunizieren, hier konnte ich das nicht.
Rania Enan über ihre erste Zeit in Deutschland.
Freiheit durch das Ehrenamt
Gemeinsam mit acht anderen Frauen organisiert Rania Enan heute Sprachkurse, Computerkurse, Nachhilfe für Kinder, offene Treffen in verschiedenen Stadtteilen und Ausflüge. Ihre Ziele sind Integration und Gleichberechtigung. „Das Oberziel ist, einfach ein Teil der Bremer Gesellschaft zu werden, damit wir uns nicht fremd fühlen. Das ist wirklich wichtig", sagt Rania Enan. Ihr eigener Weg dorthin: ehrenamtliches Engagement. „Wenn wir irgendwas Gutes tun, dann sind wir ein Teil der Gesellschaft. Dann geht’s uns gut, dann geht’s unseren Kindern gut, dann geht’s der Gesamtbevölkerung in Bremen gut."
Das Oberziel ist, einfach ein Teil der Bremer Gesellschaft zu werden, damit wir uns nicht fremd fühlen. Das ist wirklich wichtig.
Rania Enan über das Ziel ihres Vereins
Deshalb setzt sich Rania Enan dafür ein, Vorurteile abzubauen. Und sie möchte zeigen, dass viele Klischees, die in unseren Köpfen bestehen, nicht stimmen. "Die Leute denken immer, arabische Frauen, die Mehrheit sind Musliminnen mit Kopftüchern, seien immer unterdrückte Frauen. Wir versuchen zu sagen: Wir sind nicht diese Frauen. Wir sind ganz normale Frauen", erzählt sie.
Nicht diskutieren, sondern unterstützen
Ihr ist wichtig, dass alle Menschen die Gesetze achten, aber gleichzeitig frei leben und entscheiden dürfen. Das lebt sie auch in ihrem Verein: "Wenn du uns anguckst, wie wir hier sitzen — ohne Kopftuch, mit Kopftuch, Dreiviertelkopftuch, halb Kopftuch — wir sind alle nicht die Frauen, die zu Hause sitzen, um die Kinder zur Welt zu bringen", sagt sie. Aber, und das findet sie wichtig, "es ist auch schön, zu Hause zu sein und die Kinder zur Welt zu bringen. Wenn wir diese Entscheidung treffen, aber nicht, wenn uns diese vorgegeben wird."
Unterstützung von anderen Frauen im Ehrenamt
Die Stadt unterstützt den Verein mit etwas Geld für Sachkosten und Raummiete, die Personalkosten muss der Verein aber selber tragen. Alle Arbeit die anfällt, machen die Frauen deshalb ehrenamtlich. Eine von ihnen ist Hala Zaidan. In Syrien hat die 43-Jährige Pädagogik und Sprachen studiert und als Lehrerin gearbeitet. Für den Arabischen Frauenbund gibt sie Arabisch- und Rechenkurse für Kinder. Hauptberuflich arbeitet sie als pädagogische Fachkraft.
Diese Unterstützung ist wichtig. Viele arabische Frauen kommen mit einem Zeugnis, einem Abschluss von ihrer Heimat, aber sie wissen nicht, was sie damit machen können.
Hala Zaidan über die Arbeit des Arabischen Frauenbunds
Als sie nach Deutschland kam, hat Rania Enan sie sehr unterstützt. "Viele arabische Frauen kommen mit einem Zeugnis, einem Abschluss aus ihrer Heimat, aber sie wissen nicht, was sie damit machen können."
Ich versuche. Ich möchte mehr produktiv sein, ich kann helfen. Ich möchte Kontakt mit Menschen hier, arabisch oder deutsch, mit allen hier.
Alaa Othman
Auch Alaa Othman hilft das Netzwerk, in Bremen gut anzukommen. Die 22-Jährige hat Literaturwissenschaften in Syrien studiert und ist seit acht Monaten in Deutschland. „Ich kam hierher und Rania sagte: ‚Du musst mehr Kontakt mit Menschen haben, komm jeden Samstag, jeden Freitag hierher.‘ Das mache ich und lerne sehr viel hier“, erzählt Alaa. Sie spricht neben Arabisch perfekt Englisch und wünscht sich, bald genauso gut Deutsch zu sprechen. Aber sie sehnt sich auch nach Begegnungen. "Ich möchte produktiver sein, ich kann helfen. Ich möchte Kontakt mit Menschen hier, ob arabisch oder deutsch. Mit allen."
Dieses Thema im Programm: 17. November 2023, 13:40 Uhr