Im Porträt Michael Ebert schreibt ein Buch über die Kindheit im Krankenhaus
Standdatum: 28. September 2023.
SZ-Magazin-Chefredakteur Michael Ebert ist in einem Krankenhaus groß geworden. Aber nicht nur Krankheit und Tod waren täglich präsent, auch Geldnot war ein Dauerthema in Eberts Familie. In seinem Romandebüt "Nicht von dieser Welt" lässt Ebert nun einen 13-jährigen Jungen, der ebenfalls auf einem Krankenhausgelände aufwächst, auf Schatzsuche gehen.
Ein 13-jähriger macht sich mit einer geheimnisvollen Freundin kurz nach der Wende auf die Suche nach dem DDR-Staatsschatz. Auf den wahren Kern dieser Geschichte stieß Journalist Michael Ebert vor vielen Jahren in einer Redaktionskonferenz der Süddeutschen Zeitung. Denn über 100 Milliarden Ostmark sind 1990 tatsächlich nahe Halberstadt in einem Stollen vergraben worden. Nun hat er diese abenteuerliche Geschichte zum Thema seines Roman-Debüts gemacht und darin seine eigene Kindheitsgeschichte verwoben.
Krankenhausflure wurden zum Entdeckungsort
Von 1998 bis 1995 hat Michael Ebert als Teenager in der Personalwohnung eines Krankenhauses im Schwarzwald gelebt. Seine Mutter arbeitete dort als Intensivpflegerin und Ebert stromerte oft neugierig durch Gänge, Treppenhäuser und Kellerräume: "Das war auch für einen Heranwachsenden ein spannender Ort – allerlei Winkel, die es zu entdecken gab." Ebert erinnert sich daran, dass er oft eine Abkürzung zur Wohnung durch einen Technik-Raum nahm, wo unter anderem das Notstromaggregat für die Intensivstation stand. Der Teenie wurde zu einer Art Maskottchen für Hausmeister, Reinigungskräfte und das medizinische Personal: "Über mich hat man sich nicht gewundert. Alle wussten, wo ich hingehöre."
Das Geld war chronisch knapp.
Michael Ebert über den Alltag in seiner Familie
"Der Tod war ein ständiger Begleiter, das Sterben war ein ständiger Begleiter – und die Rettung eben auch", sagt Michael Ebert über diese Zeit. Aber auch Geldnot war ein Dauerthema in Eberts Familie. Sein Vater, ein glückloser Versicherungsvertreter schulte auf Krankenpflege um, um mehr Zeit mit Eberts Mutter, seiner großen Liebe, verbringen zu können. Doch "das Geld war chronisch knapp", so Ebert. Sein Vater trug den knappen Lohn oft ins Spielcasino und hoffte auf das große Glück, das in der Regel ausblieb. Es gab Tage, wo das Konto so überzogen war, dass der Bankautomat kein Geld mehr ausspuckte und Ebert seinen Hunger mit Leitungswasser stillen musste. „Mein Vater hatte das Problem erkannt, hat sich sperren lassen in den Casinos der Umgebung, hat es überwunden und dann ging es uns besser. Aber wir hatten schwierige Jahre."
Buch wird zur Trauerbewältigung
Als Volontär im Lokaljournalismus hat Michael Ebert über Bezirksliga-Spiele im Fußball, Musikvereinssitzungen und brennende Bauernhäuser geschrieben. Nach dem Jura-Studium war er Redakteur beim Stern, erfand das Magazin "Neon" für junge Erwachsene und gestaltet heute als Chefredakteur das Magazin der Süddeutschen Zeitung. Als im vergangenen Jahr sein Vater starb, fing Michael Ebert seine Trauer mit dem Schreiben seines ersten Romans ein. Er schrieb auf, was ihm zu seiner Kindheit einfiel: "Das Buch hatte eine Funktion für mich. Ich war sehr traurig als er starb." Bis er merkte, dass seine autofiktionale Geschichte rund um den DDR-Staatsschatz immer mehr zu einer Geschichte für seine Mutter wurde: "Beim Schreiben über die Zeit damals, habe ich gemerkt, mit welcher ungeheuren Kraftanstrengung sie die Familie zusammengehalten hat, auch in schwierigen Zeiten."
Krankenschwestern verdienen schlecht – das ist leider eine traurige Wahrheit.
Michael Ebert über die Themen seines Buches
Eberts Buch "Nicht von dieser Welt" ist eine Kombination aus Fakt und Fiktion geworden. Eine Spielwiese, die er in seinem Hauptberuf gar nicht betreten könnte: "Da muss ich mich daran halten, was wirklich geschieht", sagt der Journalist. Kein Geld zu haben ist ein genau so großes Thema in seinem Romandebüt wie die Sterblichkeit des Menschen, Trauer und Trauerbewältigung. Sein Protagonist "Mischa" ist ein einsamer, verschlossener Junge, der um seinen Vater trauert – die Mutter hat nicht viel Zeit, schiebt Nachtdienste, das Geld ist knapp. "Krankenschwestern verdienen schlecht – das ist leider eine traurige Wahrheit, die ihren Platz im Buch findet", so Ebert.
Der Wunsch nach Sicherheit hat sich eingegraben
Bis heute hat Ebert keine Scheu vor Krankenhäusern und schluckt anstandslos die Tabletten, die ein Arzt ihm empfiehlt. Was dem anerkannten Journalisten und Chefredakteur aber geblieben ist, ist das Unwohlsein vor dem Geldautomaten. Schließlich hat er selbst die Verzweiflung seiner Mutter erlebt, nachdem ihre EC-Karte am Bankautomaten einfach eingezogen worden ist. "Ich bin ein Sicherheitstyp. Biografisch begründet. Ich habe gemerkt, wie elementar es sein kann, wenn man sich nichts zu essen und zu trinken kaufen kann."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 28. September 2023, 18:05 Uhr