Im Porträt Rocko Schamoni über Gier, Liebe und das, was er bereut
Er hat zahlreiche Platten veröffentlicht, Bestsellerromane wie "Dorfpunks" geschrieben und war zuletzt mit der vierteiligen Streamingserie "Rocko Schamoni Supershow" in der ARD Mediathek zu sehen. Mit "Pudels Kern" reist Rocko Schamoni wieder zurück in die Zeit, in der in wilden Kellernächten zu Punk-Musik gefeiert wurde.
Rocko Schamoni ist im Theater, in der Literatur und in der Musik zuhause, aber gehört nicht zu den Künstlern, die sich zurücklehnen und gerne auf ihr Lebenswerk zurückschauen. Seine Kunst ist für den Moment bestimmt und zufrieden ist er selten: "Es gibt ja viele Künstler, die sagen: 'Wenn ich es noch mal machen könnte, würde ich es genauso machen und ich bereue gar nichts.' – Zu denen gehöre ich nicht. Ich bereue viel!"
Punk war wild, ausufernd und hart.
Rocko Schamoni über seine Teenager-Jahre
1966 in Kiel geboren, ist Schamoni mitten im Nichts zwischen der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt und der Insel Fehmarn an der Ostsee aufgewachsen. Über seine Jugend hat er vor rund 20 Jahren das Buch "Dorfpunks" geschrieben. "Punk war wild, ausufernd und hart", so Schamoni. Der Weg in die Szene sei damals alternativlos für ihn gewesen. Hardrock hatte keine Agenda, Hiphop war noch nicht geboren: "Punk war das Einzige, wo man aufspringen konnte, wenn man sich entfernen wollte von der Gesellschaft".
Ein unvermeidlicher Bruch mit dem Elternhaus
Er rebellierte gegen seine Öko-Eltern, schmiss die Schule und suchte Reibung: "Ich musste mir die Initiationsriten selber erarbeiten. Diese ganzen Saufereien, Prügeleien, Aufschneidereien waren alles Versuche der Selbstinitiation." Die auferlegte Töpfer-Lehre, in die ihn seine Lehrer-Eltern noch zwangen, empfand Schamoni als Demütigung und Strafe. Denn eines wollte Rocko Schamoni nie: Für ein sicheres, bürgerliches Leben die Kunst aus dem Leben verdrängen. So wie sein Vater: "Er hat an seinen Träumen vorbei gelebt und das wollte ich nicht. Zumindest das habe ich geschafft!"
Hamburg wurde zum Fixstern des "Dorfpunks"
In seinem neuen Roman „Pudels Kern“ beschreibt Schamoni seine Hamburger Jahre nach 1986. Die nahe Hansestadt war für den Dorfpunk der absolute Sehnsuchtsort. Er wusste genau, welche Bands in Hamburg, Bremen oder Hannover wohnten und in welcher Kneipe er sie treffen könnte: "Ich bin dann in kürzester Zeit zu meinen Helden vorgestoßen. Zu den Musikern von "Slime", von "Abwärts" und anderen Bands."
Ich war ausgehungert. Ich war gierig nach Kunst, Kultur, Geschwindigkeit.
Rocko Schamoni über seine jungen Zwanziger
Auch seine eigene Musiker-Karriere trieb Rocko Schamoni voran und trat mit den "Goldenen Zitronen" und den "Toten Hosen" auf. Er ergatterte einen Plattenvertrag, schaffte es in die "Bravo" und hoffte auf seinen Platz in der Welt der Punkmusik. Doch die Angst, etwas zu verpassen war immer dabei. Sie zerrte an den Nerven, die Schamoni versuchte mit noch mehr Bier in Griff zu bekommen: "Es war alles der Gier geschuldet. Ich war ausgehungert. Ich war gierig nach Kunst, Kultur, nach Ereignissen, nach Leben, nach Geschwindigkeit."
Die Depression wurde seine stete Begleiterin
Erwachsenwerden wollte Rocko Schamoni eigentlich nie. Nach einer Tour fiel der junge Punk regelmäßig in ein tiefes Loch. Im Prolog zu "Pudels Kern" schreibt er, dass er froh ist, nie wieder die Qualen seiner Jugend durchleiden zu müssen. Auch wenn viel Kreativität daraus entstanden ist: "Ich glaube nicht an Kunst, die keinen Riss, keinen Bruch und kein Loch hat", so der heute 58-Jährige.
Nur ein harter Schlag und die tritt wieder auf.
Rocko Schamoni über seine Depression, die er gerade gut im Griff hat
Als der ersehnte Durchbruch ausblieb, wandte sich Schamoni der Kunst zu, von der er sich mehr Tiefe und Intelligenz erhoffte. Immer wieder hat er in den letzten Jahren auch über seine Depressionen gesprochen, die ihn schon lange begleiten. Seit zwei, drei Jahren hat er das Gefühl, sein Leben gut in der Hand und die Depression an der kurzen Leine zu haben. Aber er weiß auch: "Nur ein harter Schlag und die tritt wieder auf."
Mehr Freundlichkeit, mehr Solidarität
Sowohl "Dorfpunks" als auch "Pudels Kern" sind sehr persönliche Bücher des 58-jährigen Hamburgers. Aber während er viel von seiner persönlichen Geschichte preisgibt, schafft er mit Pointiertheit und Witz auch Distanz zu seiner Biografie: "Es ist kein ironisches Buch, aber ich schreibe darüber, wie ironisch wir gewesen sind. Ich würde sagen, "Pudels Kern" ist zu 80 Prozent ernsthaft und dann gibt es lustige Anekdoten."
Der eigentliche Sinn des Lebens ist es, Liebe zu geben – und vielleicht auch Liebe erfahren zu dürfen.
Rocko Schamonis Erkenntnis aus den vergangenen Jahren
Dem Tod sei er immer nahe gewesen, allein durch die Suizidgedanken, die er im Laufe seines Lebens gehabt habe, so der 58-jährige Hamburger. Heute ist ihm wichtig, dass er den Moment, der er gerade durchlebt, als den wichtigsten seines Lebens betrachtet. Gleichzeitig möchte er in der Lage sein, jederzeit alles hergeben zu können. "Das finde ich eine gute Lebenseinstellung. Das ist überhaupt nicht depressiv, traurig oder melancholisch gemeint. Ich liebe das Leben und freue mich auf jeden neuen Tag." Freundlichkeit, Solidarität, liebevolles Verhalten – das sind Werte, die Rocko Schamoni immer wichtiger werden. Menschen, die ihm begegnen, möchte er etwas Positives mit auf den Weg geben: "Ich will meine ganzen Arroganzen, meine Ironien hinter mir lassen. Meiner Ansicht nach ist der eigentliche Sinn des Lebens, Liebe zu geben – und vielleicht auch Liebe erfahren zu dürfen."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 7. Mai 2024, 18:05 Uhr