Im Porträt Warum für Schlecky Silberstein Männer "arme Schweine" sind

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Schlecky Silberstein
Machte sich als "Schlecky Silberstein" einen Namen: Christian Brandes Bild: Steinberger Silberstein GmbH | Maximilian Motel

Als Kopf des "Browser Balletts" auf der ARD-Online-Plattform funk wurde Christian Brandes aka "Schlecky Silberstein" bekannt. Für seine Satire-Videos bekam er 2019 den Grimme-Preis, inzwischen läuft das Format als Langform bei "ZDF Neo". Vor einiger Zeit hat sich Brandes aber auch dazu bekannt, dass er sich wegen seiner Depressionen in die Psychiatrie begeben hat. Für ihn eine überraschend hilfreiche Erfahrung.

Schlecky Silberstein
Schlecky Silberstein

Gesprächszeit In der Psychiatrie ist Christan Brandes ein neuer Mensch geworden

Erfolgreich im Netz, jetzt bei "ZDF Neo": Für Christian Brandes' Satire-Reihe "Browser Ballett" läuft es einfach. Er selbst hat sich vor einiger Zeit zu Depressionen bekannt.

Bild: Steinberger Silberstein GmbH | Maximilian Motel

Wenn Christian Brandes heute an einem lauen Sommerabend am Osterdeich steht und die Jugendlichen dort mit ihren Beck’s-Flaschen plaudernd sieht, ist das wie eine Zeitreise für den 41-Jährigen. Dann erinnert er sich an seine erste Liebe und die aufregende Frage, ob man es wohl heute in den Club schafft, obwohl man noch nicht volljährig ist: "Da kriege ich Gänsehaut, das ist einfach Romantik pur".

Als Klassenclown in Bremen groß geworden

Christian Brandes ist Bremen aufgewachsen. Als Kind einer Alleinerziehenden verbrachte er aber auch viel Zeit bei den Großeltern in Holdorf. Während Existenzängste und Alkoholprobleme die Familie prägten, vermittelte der Großvater Sicherheit und Urvertrauen: "Bei meinem Opa war es so, dass er nicht damit kokettiert hat, dass er ein Versager ist. Sonst prägt meine Familie schon eher, dass alles schlecht läuft." Um zwischen den Sorgen gesehen zu werden, musste Christian Brandes Mist bauen oder als Klassenclown die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. "Scheiße bauen und lustig sein waren dann die Dinge, auf die ich mich fokussiert habe."

Am Ende hat ihn seine Kindheit zu seinem Beruf geführt, sagt Brandes, wenn er zurückblickt: Anfang der 2000er Jahre studierte er zunächst Volkswirtschaftslehre in Potsdam, brach sein Studium aber für seine Tätigkeit als Werbetexter in renommierten Agenturen ab. Gleichzeitig war er fasziniert vom "Quatsch", der damals noch völlig unpolitisch durchs Netz geisterte. 2010 baute er daher den Blog "Spiegel Offline" auf, auf dem er täglich Kuriositäten aus dem Internet präsentierte. "Es war eine Zeit, in der Fantasie, Anarchie und Wahnsinn ein ganz, ganz großes Thema waren." Über seinen Künstlernamen "Schlecky Silberstein" hat Brandes übrigens nicht lange nachgedacht: "Es ist ein ganz schlimmer Name!", lacht er.

Satire muss bissig sein, weil sie stören muss.

Christian Brandes über das "Browser Ballett"

Schließlich arbeitete Christian Brandes als Autor für verschiedene Comedy-Formate wie das "Neo Magazin Royale" und entwickelte 2016 das "Browser Ballett" für Funk, dem Content-Netzwerk von ARD und ZDF. Bekannt wurde das Format durch kurze Sketche und Memes auf Social Media, inzwischen läuft die Satire-Reihe als Langform mit 30 Minuten pro Folge auf "ZDF Neo". In der aktuellen Staffel bekommen die Polit-Talkshows den Spiegel vorgehalten, in weiteren Folgen geht es um Nazi-Verschwörer, Klimakleber und den Weltuntergang. Kurz: den Krisen unserer Zeit. "Satire muss deswegen bissig sein, weil sie stören muss. Und wenn man dieses Störgefühl bei den Zuschauern nicht erzeugt, hat man irgendwas auch nicht besonders gut gemacht", so Brandes über seine Arbeit.

Mit Depressionen in die Psychiatrie

Inzwischen, sagt Brandes, muss man aufpassen, dass man nicht "die Satire-Bude oder der Comedy-Club" wird. Er hätte Lust, auch mal im Bereich Drama etwas zu produzieren: "Privat schaue ich eigentlich nur das Dramatischste vom Dramatischen", schmunzelt er. Doch während es beruflich in den letzten Jahren optimal für "Schlecky Silberstein" lief, zogen in seinem Seelenleben immer mehr dunkle Wolken auf. 2020 machte Christian Brandes öffentlich, dass er in eine psychiatrische Klinik gegangen ist, um sich wegen seiner Depressionen Hilfe zu holen. Ein Schritt, der ihm alle andere als leichtgefallen war, doch er wollte nicht, dass seine Kinder ihn irgendwann am Boden sehen: "Ich dachte, wenn ich dahin gehe, das war’s! Das ist der Abstieg. Das ist ein Ort, wenn du da reinkommst, kommst du nie wieder raus."

Männer sind arme Schweine. Man will sich nicht helfen lassen, weil man glaubt, man ist dann schwach.

Christian Brandes über toxische Männlichkeit

Heute ist seine Botschaft: "Psychiatrische Klinken sind anders als ihr glaubt." Viele, sagt Christian Brandes, gehen viel zu spät hin. Und: "Es geht nicht darum, wieder der Alte zu werden". Besonders als Mann sei es oft schwerer, sich einzugestehen, dass man etwas ändern muss. "Männer sind arme Schweine. Man will sich nicht helfen lassen, weil man glaubt, man ist dann schwach. Es gibt so viele Männer, denen ist das peinlich oder unangenehm." Seine Erfahrung ist, dass Männer oft glauben, dass sie nur dann etwas wert sind, wenn sie leistungsfähig sind. "Die klassische männliche Sozialisation, wie ich sie durchgemacht habe, das ist eine Gebrauchsanweisung für eine Depression", so Brandes. Derzeit arbeitet er an einem Buch über seine Erfahrungen. Arbeitstitel: "Der Penis-Fluch".

Kein Fan der preußischen Arbeitsmoral

Mental geht es Brandes heute viel besser, weil er sich vorgenommen hat, ein "neuer" Mensch zu sein und alte Gewohnheiten hinter sich zu lassen. Social Media nutzt er noch zur Recherche, ist dort aber nicht mehr aktiv, um gesund zu bleiben. "Ein ganz harter Detox, gerade auch für mich als Künstler". Er verbringt viel Zeit mit seiner Familie und Freunden und will seinen beiden Söhnen – der älteste ist 2014 geboren – keine preußische Arbeitsmoral mit dem permanenten Fokus aufs Schaffen und Geldverdienen beibringen: "Ich finde es ist Wahnsinn, was wir gerade für Normalität halten".

Ich will auf keinen Fall einer von denen sein, die auf dem Krankenbett erst verstehen, dass sie alles falsch gemacht haben.

Christian Brandes über falsche Arbeitsmoral

Er selbst würde gerne am liebsten mit 50 aufhören zu arbeiten, oder wenigstens das Stresslevel noch einmal deutlich senken: "Ich will auf keinen Fall einer von denen sein, die ins Grab fallen oder auf dem Krankenbett erst verstehen, dass sie alles falsch gemacht haben, weil sie nur der Kohle hinterhergerannt sind."

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 25. August 2023, 18:05 Uhr

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Gesprächszeit mit Hilke Theessen

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