Die Morgenandacht Die Frau auf der Bank

Wolkenhimmel, dahinter Lichtstrahl

Die Morgenandacht Die Frau auf der Bank

"Kein Platz für Gewalt". So heißt eine aktuelle Veranstaltungsreihe der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie setzt sich mit den Themen "Gewalt" und "sexualisierte Gewalt" auseinander. Die Morgenandachten dieser Woche sind Teil dieser Reihe.

Bild: Pixabay

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"Kein Platz für Gewalt". So heißt eine aktuelle Veranstaltungsreihe der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie setzt sich mit den Themen "Gewalt" und "sexualisierte Gewalt" auseinander. Die Morgenandachten dieser Woche sind Teil dieser Reihe.

Vor dem Gemeindehaus steht eine orangefarbene Bank. Kein Platz für Gewalt – die Worte kleben in schwarzen Buchstaben auf ihrer Lehne. Kein Platz für Gewalt.
Die Frau sitzt ganz am Rand der Bank. Sie hat eine alte Handtasche auf ihrem Schoß, beständig knetet sie die Tasche mit ihren kleinen Händen. Alles an ihr ist zart und durchscheinend.
Als ich mich zu ihr setze, zuckt sie zusammen, beginnt sofort zu sprechen. Ist es in Ordnung, wenn ich hier kurz sitze? Die Stimme – vorsichtig, leise. In jedem Wort höre ich Angst und Misstrauen.
Ich lächle freundlich, nicke nur. Jedes Wort könnte diese Frau vertreiben. Jedes falsche Wort wäre wie ein Windhauch, der sie wegpustet.
Ihr Blick schweift immer wieder über die schwarzen Buchstaben. Kein Platz für Gewalt. Irgendwann steht sie auf und geht.
Ich bleibe zurück.
Ein bisschen verzweifelt, weil ich keine richtigen Worte in mir gefunden habe. Weil jedes Wort von mir die Frau weggepustet hätte. Und nun hat auch mein Schweigen sie vertrieben.
Drei Tage später sitzt sie wieder auf der Bank. Ihre Hände kneten ihre Tasche. Ich lächle ihr zu und setze mich weit entfernt von ihr auf die Bank. Kein Platz für Gewalt – die Worte stehen zwischen uns. Ich atme ein. Ich atme aus. Kein Wort kommt mir in den Sinn, dass ich sagen könnte. Kein Wort, dass diese Frau nicht verletzt.
Ich sehe sie kurz an. Sie blickt zurück, steht auf und geht.
Und ich weiß, selbst dieser Blick war viel für sie.
Bei unserem dritten Treffen sitze ich bereits auf der Bank. Die Sonne scheint und das Orange leuchtet. Die Frau setzt sich direkt neben die schwarzen Buchstaben. Kein Platz für Gewalt - Wieder schweigen wir. Doch diesmal ist es anders. Ihre Hände kneten nicht ihre Handtasche, sondern streichen über das Wort Gewalt. Sie streicht nicht sanft, sondern eher sachlich. Als wollten ihre Hände sagen: Ja, Gewalt. Kenn ich. Gibt es. Wieder suche ich nach Worten, wieder ist da nix zu finden.
Ganz leise sagt sie: Danke für die Bank. Danke für das Schweigen. Tut mir gut.
Sie steht auf und geht. Und obwohl der Wind heute kräftig weht, bin ich sicher, dass sie ihm standhält.

Autor/Autorin

  • Ragna Miller

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