Die Morgenandacht Gönne dich dir selbst
Stand: 26. März 2025.
Die Morgenandacht Gönne dich dir selbst
Informationen zum Audio
- Verfügbar bis: 26. März 2027 Informationen zur Verweildauer
Wer sich selbst nichts gönnt, kann auch anderen nichts Gutes tun, meint Klaus Hagedorn. Es gebe keinen Glauben an Gott, ohne das Vertrauen, geliebt zu sein.
Im Buch Jesus Sirach im ersten Teil der Bibel steht: "Wer sich selbst nichts gönnt, wem kann der Gutes tun? Er wird seinem eigenen Glück nicht begegnen. Keiner ist schlimmer dran als einer, der sich selbst nichts gönnt; ihn selbst trifft die Strafe für seine Missgunst." (Jesus Sirach 14, 5+6). Über solche Sätze staune ich immer wieder neu: Da lesen wir mitten im Herzstück der Bibel von einem liebevollen, aufmerksamen, ja zärtlichen Umgang des Menschen mit sich selbst: "Mensch: Gönne dich dir selbst!", heißt es dort.
Keine Frage, der Text zeigt Realismus: Wer frustriert ist, wird bitter. Wer im Streit mit sich und seiner Geschichte lebt, fängt an zu hadern und bleibt unversöhnt! Genauer noch: Wer sich selbst nichts gönnen kann, wird auch anderen gegenüber hartherzig und nachtragend. Wer ständig für andere da ist, noch so gut gemeint, und sich selbst nichts gönnt, der verarmt innerlich. Da steht begründet sogleich ein Verdacht ins Haus: dass Mann oder Frau in die Nächstenliebe flüchten, weil der Mut zur Selbstliebe fehlt. In der Tat: Wie viele gute Christenmenschen gibt es, die sich selbst nicht mögen! Dauernd lieben sie die Nächsten und die anderen – nur nicht sich selbst. Dauernd verknüpfen sie Gottesliebe und Nächstenliebe – aber die Selbstliebe vergessen sie.
Derlei Selbstlosigkeit aber wird in dieser biblischen Weisheit durchkreuzt, ja entlarvt – entlarvt als Flucht vor Gott und vor sich selbst. Es gibt nämlich keinen Glauben an Gott ohne das Vertrauen, selbst erwünscht und gewollt, ja geliebt zu sein. Wer nicht glauben lernte, selbst erwünscht und gewollt zu sein, wie sollte er je anderen die Gewissheit vermitteln können, geliebt und erwünscht zu sein? Der Volksmund bringt es auf den Punkt: "Wer sich selbst nicht riechen kann, stinkt auch anderen." Sehr richtig! Wer sich selbst nicht lieben kann und lieben lässt, kann auch andere auf Dauer nicht lieben. "Wer sich selbst nichts gönnt, wie kann er anderen Gutes tun?" Nie! Ein solcher Mensch wird seinem Glück nie begegnen. Ein hartes, ein realistisches Wort.
Aber: Die heimliche Unruhe darin ist das Vertrauen auf Gott. Er ist es doch, der mich ermutigt zur eigenen Biografie. Zur Grundmelodie im Glauben Israels gehört, dass Gott sein Volk befreit und ermutigt. Es soll gewiss sein, dass Gott, dieser Liebhaber des Lebens, es erwählt hat – und deshalb sich selbst wichtig finden. Und was für das Volk Gottes insgesamt gilt, gilt auch für den Einzelnen. Wehe dem, der sich selbst nicht mag. Irgendwie ist er arm dran, "Gott los" und auf böse Weise "selbst los". Die gute Selbstlosigkeit nämlich ist untrennbar verknüpft mit dem guten Selbstgefühl, mit der Gewissheit, erwünscht und gewollt zu sein. Nur wer sich – von Gott her! – selbst geliebt und bejaht weiß – so die Bibel –, kann andere lieben und bejahen. In solchem Sinne lieb sein mit mir selbst ist ein Gottesgeschenk. In solchem Sinne meinen eigenen Lebensschatten umarmen und, so schwer es auch fällt, mich selbst ganz annehmen lassen, das ist Gottesglaube. Eine Lebensaufgabe!