Die Morgenandacht Mein Rock ist nicht das Problem

Wolkenhimmel, dahinter Lichtstrahl

Die Morgenandacht Mein Rock ist nicht das Problem

"Kein Platz für Gewalt". So heißt eine aktuelle Veranstaltungsreihe der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie setzt sich mit den Themen "Gewalt" und "sexualisierte Gewalt" auseinander. Die Morgenandachten dieser Woche sind Teil dieser Reihe.

Bild: Pixabay

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"Kein Platz für Gewalt". So heißt eine aktuelle Veranstaltungsreihe der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie setzt sich mit den Themen "Gewalt" und "sexualisierte Gewalt" auseinander. Die Morgenandachten dieser Woche sind Teil dieser Reihe.

Die junge Frau steht am Straßenrand. In der Hand hält sie ein Plakat aus Pappe. Ich lese: "Mein Rock ist nicht das Problem!"
Die Straßenbahn fährt weiter, die junge Frau und ihr Plakat bleiben in meinem Kopf.
"Mein Rock ist nicht das Problem."
Zwei Reihen hinter mir unterhalten sich zwei Damen: "Vergewaltigung ist ein Verbrechen. Aber die jungen Mädchen tragen auch alle bauchfrei."
Ich atme ein und aus. Es gibt viel zu sagen.
Ehrlich gesagt: Es gäbe viel zu schreien. In mir schreit es.
Ich schweige den zwei Frauen meine Antworten entgegen.

Erstens: 90% aller Vergewaltigungen passieren im nächsten Umfeld, Familie, Freundeskreis. Dass die Mädchen draußen bauchfrei tragen, hat damit gar nichts zu tun.
Zweitens: Die jungen Frauen könnten in Bikini oder nackt draußen herumlaufen und niemand dürfte sie anfassen:

Drittens: Meine Nichte erzählt, dass sie in einem alten Pulli und einer Trainingshose rumläuft und sich dennoch Männer jeden Alters von hinten an sie ranschieben und sich an ihr reiben.
Viertens: Sätze wie "…aber die Mädchen tragen alle auch bauchfrei" sind der Anfang einer schlimmen Sache. Sie nennt sich Täter/Opfer-Verschiebung. Und die Männer bekommen darin die Rolle eines seinen Trieben hilflos ausgelieferten Wesens. Wir sollen Mitleid haben mit ihm und seinen Hormonen. Die Mädchen und Frauen sind eine femme fatale, die – bewusst oder unbewusst – die armen Wesen betört.
Ich kann das alles nicht mehr hören.*

Und ich kann zugleich die Sorge um die jungen Mädchen nur schwer ertragen. Natürlich gibt es in mir die Stimme, die sagt:
Zieht euch einen schlabbrigen Overall an, schminkt euch nicht und geht nur im Hellen vor die Tür.
Aber es gibt die anderen Stimmen. Sie sind laut. Sie stehen in meinem Kopf an der Straße und halten Pappschilder hoch. Sie rufen. "Ein Rock ist nicht das Problem." Und "Frauen haben genug darüber nachgedacht." Ach, denke ich. Das ist doch auch ein gutes Schild. Ist doch schön, wenn man in seinem Kopf mal was Neues entdeckt.

Die beiden Frauen hinter mir reden immer noch miteinander. "Nee", sagt die eine energisch. "Nee, nee, nee. So ist das nicht richtig. Ich werde den Mädchen doch keine Angst machen. Das hilft denen doch auch nicht. Mal ehrlich, ein kurzer Rock kann doch nicht das Problem sein!"
"Mein Rock ist nicht das Problem." Und: "Frauen haben genug darüber nachgedacht."
Auf geht’s Männer, Jungen, wir ganze Gesellschaft.
Die Frauen haben genug darüber nachgedacht, haben geredet, geschrien, geschwiegen.
Es ist Zeit für eine größere Gesprächsrunde.

Autor/Autorin

  • Ragna Miller

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