Auf der Bühne Bremerhaven statt Berlin: John von Düffel zeigt neues Stück im Norden

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Schauspieler während der Premiere des Stücks "Tartüff oder Der Geistige"
Szene aus John von Düffels "Tartüff oder Der Geistige", eine Komödie "sehr frei nach Molière" – inszeniert von Tim Egloff Bild: Stadttheater Bremerhaven | Manja Herrmann

Es gibt nicht viele Menschen, die so sehr fürs Theater leben und schreiben wie Autor und Dramaturg John von Düffel. Was er besonders gern tut: Klassiker auf den Kopf stellen. So auch geschehen bei seinem aktuellen Stück "Tartüff oder Der Geistige", das noch bis März am Stadttheater Bremerhaven zu sehen ist. Dieses Mal trifft es Molière. Marcus Behrens war bei der Uraufführung dabei.

Dramaturg John von Düffel im Interview (Archivbild)

John von Düffel über die Uraufführung von "Tartüff oder der Geistige"

John von Düffels "Tartüff oder der Geistige", frei nach Molière, wurde am 9. Dezember 2023 am Stadttheater Bremerhaven uraufgeführt.

Bild: Imago | dts Nachrichtenagentur

Worum geht es?

Es geht um eine Familie, die sich fragen muss: Was tun, wenn der eigene Lebensstandard bedroht ist? Sie besteht aus Madame Pernelle, der Großmutter, Orgon, dem Vater und seiner zweiten Frau Elmire sowie Tochter Mariane und Sohn Damis aus erster Ehe.

Schauspieler während der Premiere des Stücks "Tartüff oder der Geistige"
Auf der Bühne v. l.: Madame Pernelle (Kay Krause), Elmire (Julia Lindhorst-Apfelthaler) und Mariane (Anna Caterina Fadda) Bild: Stadttheater Bremerhaven | Manja Herrmann

Orgon verlässt sich in der finanziellen Krise auf seinen Freund Tartüff, der Wasser predigt und heimlich Wein trinkt – und zwar den von Orgon. Ganz und gar nicht amüsiert über Orgons Spardiktat sind Elmire sowie Mariane und Damis. Sie hoffen auf sein Geld und geben es prophylaktisch schon mal aus, bevor sie es geerbt haben.

Es funkt zwischen den Mitgliedern der Familie, es gibt Begehren, Begehrlichkeiten und auch Liebe – kreuz und quer zwischen den Beteiligten, und letztlich lieben alle vor allem eins: das Geld.

Was ist das Besondere am Stück?

Eine Uraufführung in Bremerhaven gibt es nicht alle Tage. John von Düffel hat dieses Stück aus eigener Initiative geschrieben und der Verlag hat es dann den Theatern angeboten – das Stadttheater Bremerhaven hat schnell zugeschlagen. Es ist allerdings auch nicht die erste Zusammenarbeit zwischen Dramaturg Peter Hilton Fliegel und John von Düffel. Man kennt sich und man schätzt sich offenbar auch gegenseitig.

Was gab es zu sehen?

Regisseur Tim Egloff hat sich auf den Text konzentriert. Ein deutscher Text, der es in sich hat - und das gleich auf mehreren Ebenen: direkt, zwischen den Zeilen und auch auf der Meta-Ebene. John von Düffel verknüpft Figuren und Werke von Molière mit der heutigen Doppelmoral, wenn es um die Grenzen unseres Wohlstandes geht. Mit dem Text stehen dann auch die Schauspielerinnen und Schauspieler im Mittelpunkt, sehr gut besetzt aus dem Ensemble des Stadttheaters Bremerhaven: Julia Lindhorst-Apfeltaler, Anna Caterina Fadda, Kay Krause und Marc Vinzing, Richard Feist und Justus Henke leben in ihren Rollen. Ihr Spiel bewegt sich einerseits zwischen "gerade noch neureich gewesen" und "im Rausch des Überflusses" badend und andererseits einer beängstigenden Nähe zum geistigen Prekariat.

Was sagt unser Kritiker?

"Das Publikum war wirklich aus dem Häuschen", berichtet Marcus Behrens von der Uraufführung. "Am Ende gab es sehr lange Beifall und vor allem im ersten Teil wurde auch viel gelacht – dann immer weniger, was ganz klar zeigt, dass Idee, Text, Inszenierung und Dramaturgie aufgegangen sind. Denn diese Komödie trifft sicher viele Leute in ihrem Alltag und sie hat alles, um auch ein breites Publikum zum Nachdenken anzuregen. Und sei es nur auf der Meta-Ebene. Und so ist dieses Stück zwar kein echter Molière, der Text aber besser als jede Molière-Übersetzung!"

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Sonntagmorgen, 10. Dezember 2023, 08:37 Uhr

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Gesprächszeit mit Hilke Theessen

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