Die Morgenandacht Riese oder Scheinriese?
Standdatum: 7. Januar 2025.
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Prüft alles und behaltet das Gute. Pastorin Andrea Schneider bedenkt in dieser Woche das kirchliche Jahresmotto aus den Paulusbriefen der Bibel. Heute geht es um die Frage, ob der symbolische Riese, vor dem man sich fürchtet, vielleicht nur ein Scheinriese ist?
"Prüft alles und behaltet das Gute!" Dieses Motto soll Christinnen und Christen im Jahr 2025 begleiten. Es passt zu dem Blick in den Kalender, der für die ersten Tage des Jahres typisch ist. Und zu dieser Frage: Was kommt auf mich zu – schön und spannend, aber auch schwierig, angstmachend, jedenfalls unbekannt? Es ist gut, hier genau hinzugucken. So erzählt es Michael Ende in seiner Geschichte
von Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer, die auf der Lokomotive Emma durch die Welt reisen:
Irgendwann auf ihrer abenteuerlichen Tour verfahren sich die drei Helden im wüsten Nirgendwo.
Da erblicken sie in der Ferne plötzlich die Riesen-Gestalt eines Riesen-Menschen.
Ein Riesen-Schreck! Jim Knopf ist völlig von der Rolle, Emma aus der Bahn geworfen.
Auch Lukas wundert sich über das Ungeheuer am Horizont.
Aber er sieht auch dessen langen weißen Bart. Das schlabbrige Hemd. Den alten Strohhut. Er hört seine brüchige Stimme.
Und Lukas überlegt: Der Riese – ist er wirklich so gruselig gefährlich, wie er erscheint?
Oder vielleicht doch – trotz seiner bedrohlichen Größe – "ganz manierlich"? Könnte er ihnen vielleicht sogar helfen, herauszufinden aus der verflixten Wüste?
Vorsichtig gehen Lukas und Jim Knopf auf den Riesen zu. Mit schlotternden Knien. Aber mit jedem Schritt, den die beiden dem Riesen näher kommen, wird der kleiner. Erst ist er himmelhoch wie ein Gebirge, dann lang wie ein Kirchturm, dann nur noch groß wie ein Haus. Schließlich auf Augenhöhe. Der alte Mann stellt sich ihnen vor, lächelt freundlich: "Ich bin nur ein Scheinriese. Wie schön, dass ihr nicht vor mir zurückschreckt. Kann ich euch helfen?"
Verrückt: Da ist dieser an-scheinend so bedrohliche Riese. Aber er ist nur schein-bar so bedrohlich. Eigentlich ist er "ganz manierlich". Mir fallen viele Situationen ein, wo es gut tut, das Riesenhafte, das fremd und bedrohlich vor mir steht bzw. mir bevorsteht, als scheinriesenhaft zu entlarven: Meine Unsicherheit und Angst davor spüren. Aber doch Schritt für Schritt drauf zugehen. Den "Riesen" kennenlernen. Dabei das Herausfordernde als nicht überfordernd erleben und selbst dabei stärker werden. Mich mit meinem Scheinriesen sogar anfreunden.
Denn kann ja gut sein, dass er wichtig und hilfreich ist auf meiner Lebensreise.
Zum Beispiel die schwierige Fortbildung. Oder die anstrengenden Phasen einer Chemotherapie. Der aufregende Auftritt vor Publikum.
Oder der neue Job nach langer Familienpause. Und und und... Riese oder Scheinriese? Mit Offenheit prüfen lohnt sich: wage-mutig, nicht angst-besetzt.