Im Porträt Dieser Bremer hilft psychisch kranken Menschen, sich selbst zu helfen
Standdatum: 17. Januar 2025.
Jörn Petersen setzt sich für seelische Gesundheit ein. Er will erkrankte Menschen stärken. In Bremen-Walle betreibt der 55-Jährige zum Beispiel gemeinsam mit Kolleg:innen das "Empowerment College" – ein kostenloses Bildungsangebot.
Jörn Petersen ist einer der Leiter von "Fokus" – des Zentrums für Bildung und Teilhabe der Initiative zur sozialen Rehabilitation. Er leitet unter anderem verschiedene Angebote für Menschen mit Krisen- und Psychiatrieerfahrung. "Wir versuchen die Menschen darin zu unterstützen (...), wieder Teil der Gesellschaft zu werden", sagt er. Damit das gelingt, setzen Jörn Petersen und sein Team vor allem auf das Soziale.
Zu entscheiden: 'Ich traue mich jetzt wieder unter Menschen und ich zeige mich so wie ich bin, weil eigentlich bin ich ja okay.' Das ist oft ein ganz schwerer Schritt. Und den üben wir hier.
Jörn Petersen über soziale Teilhabe
Alle Angebote bei "Fokus" finden in Gruppen statt. "Viele Menschen, die eine psychische Erkrankung erleiden, erfahren erst mal Stigmatisierung und stigmatisieren sich auch selber, weil sie sich so gar nicht kennen", berichtet Jörn Petersen. Die meisten zögen sich dann erst mal zurück. "Und da wieder rauszukommen (...), das ist oft ein ganz schwerer Schritt. Und den üben wir hier."
Die Lerngruppen, so wie er sie nennt, sind dazu meist gemischt. Es kommen nicht nur Menschen mit psychischer Erkrankung, sondern auch Angehörige und Fachkräfte, "damit die Käseglocke, wenn nur kranke Menschen zusammen sind, etwas aufgebrochen wird."
Man muss immer zeigen, wie schwer krank man ist, damit man Hilfe bekommt
Jörn Petersen
Jörn Petersen weiß, wie es sich anfühlt, in einer Krise zu sein. Psychische Erkrankungen kennt er aus der eigenen Familie. Ein weiterer Grund, warum er sich für ein Sozialpädagogikstudium und den Bereich psychische Erkrankungen entschieden hat – zuerst im betreuten Wohnen als Assistenz. "Und dann war es irgendwann so (...), dass es so eine Festlegung gibt auf diese Rolle, ich bin der Helfer und du bist der, der die Hilfe braucht. Und dass es wenig gelingt, Leute in eine Situation zu bringen, wo sie zeigen können, was sie alles können", sagt er.
Das sei auch eine Schwierigkeit in unserem Gesundheitssystem. "Man muss immer zeigen, wie schwer krank man ist, damit man Hilfe bekommt." Das wollte Jörn Petersen ändern.
Menschen helfen, sich selbst zu helfen
So kam er zum Bildungs- und Teilhabezentrum "Fokus". Neben dem "Empowerment Café" hat Jörn Petersen gemeinsam mit Kolleg:innen das "Empowerment College" entwickelt. Das Angebot ist aber keine Behandlung oder Therapie, sondern ein Bildungsangebot. Die Teilnahme ist für Menschen kostenlos. Das Geld kommt von der "Aktion Mensch" und dem Bremer Gesundheitsressort. Besonders ist, dass immer zwei Trainer oder Trainerinnen zusammenarbeiten. Eine Person hat eine berufliche Expertise und die andere eine persönliche. Betroffene Personen, die eine schwere Krise und psychische Erkrankung überwunden und gelernt haben, mit ihr zu leben, arbeiten also als Trainer mit in den Kursen.
Es ist ja keine Schande.
Gerlinde Tobias über ihre Psychiatrieerfahrung
Eine von ihnen ist Gerlinde Tobias: Die 71-Jährige war fünf Jahre mit einer schweren Depression in der Psychiatrie. Die Beratung bei "Fokus" und schließlich auch ihre Arbeit dort als Genesungsbegleiterin haben ihr dabei geholfen, aus dieser Krise rauszukommen. "Dadurch hab ich wirklich eine neue Lebensperspektive gefunden", erzählt sie.
Dass es weitergeht, dass es Wege aus der Krise gibt, möchte Gerlinde Tobias gemeinsam mit Jörn Petersen und dem Team bei "Fokus" auch anderen vermitteln. Sie möchten Menschen mit psychischen Erkrankungen dabei unterstützen, sich selbst zu helfen. Und so bestenfalls auch verhindern, dass sie wieder in die Psychiatrie müssen. "Und vielleicht können Menschen das, was sie hier gelernt haben, mitnehmen. Und wenn sie wieder in schwierige Situationen kommen, dann schneller wissen, was eigentlich gut für sie ist", sagt Jörn Petersen.
Die Angebote von Fokus (Zentrum für Bildung und Teilhabe der Initiative zur sozialen Rehabilitation e.V.) finden in der Travemünder Straße 3 in Bremen Walle statt.
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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Tag, 18. Januar 2025, 13:40 Uhr