Was macht die Kunst? Judith mit dem Haupt des Holofernes von Paolo Veronese
Standdatum: 4. August 2024.
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Die Kandidatur von Kamela Harris zur US-Präsidentschaftswahl löst Hoffnungen auf der einen und Furcht auf der anderen Seite aus. Kia Vahland erklärt, welche Rolle starke Frauen in der Kunstgeschichte spielen.
In der Demokratie hat es quälend lange gedauert, bis Frauen an die Spitze gelangten, und immer wurde ihnen erst einmal die Qualifikation abgesprochen. Zuvor, im Feudalismus, kamen Frauen an politische Macht, wenn die Erbfolge sie zufällig auf einen Thron hob. Weibliche Herrschaft war immer die Ausnahme, nie die Regel. Umso wilder aber waren in der Frühen Neuzeit die Fantasien von Männern über wehrhafte Frauen. In der Malerei der Renaissance war das Motiv der biblischen Judith, die dem Unrechtsherrscher Holofernes den Kopf abschlägt, sehr beliebt. Die Bilder bringen eine männliche Angstfantasie zu Ausdruck, eine Mischung aus Respekt und großer Furcht. Und das, obwohl Männer in aller Regel keine physischen Gewaltakte von Frauen zu fürchten hatten. Es geht eben nicht um die Realität, sondern um Projektionen.
Der Venezianer Paolo Veronese malte im späten 16. Jahrhundert Judith nicht als brutale Mörderin, sondern als gerechte, schöne Lichtgestalt. Sie ist jung, blond, reich geschmückt und erleuchtet. Holofernes verschwindet neben ihr beinahe im Dunkeln. Judith zeigt seinen abgeschlagenen Kopf ihrer schwarzen Magd. Ob diese Mitgefühl empfindet oder Genugtuung, ist kaum auszumachen. Der Mächtige jedenfalls hat alles verloren auf diesem Gemälde. So etwas konnte damals als Warnung dienen, oder eben als Angstbild. Im 19. Jahrhundert erwachsen aus diesen Motiven die weit verbreiteten Bilder der femme fatale. Hinter all dem steht die Vorstellung, dass es ein Machtgefälle zwischen den Geschlechtern gebe und dieses sich eben auch umkehren könnte. Solch alte Fantasien sind das Gegenteil von Gleichberechtigung.
Heute ist der Wahlkampf zwischen einem Mann und einer Frau kein Geschlechterkampf, sondern ein normaler Vorgang. Dabei geht es nicht um Leben oder Tod wie bei Judith und Holofernes. In den USA aber wird das Ganze auf der symbolischen Ebene ins Existenzielle, Grundsätzliche gezogen. An der Person Kamala Harris scheinen sich dabei auch einige alte Ängste vor weiblicher Macht festzumachen.